0176 - Der Haß der Verdammten
getan.«
Es war einen Augenblick still. Schließlich fragte ich gedehnt: »Und Sie trauen ihm eine solche Tat zu?«
Wilkerton blickte mich scharf an. »Sie fragen mich zuviel, Mister Cotton. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich keinen anderen Menschen kenne, der es getan haben könnte.«
»Es gibt noch zahllose, andere Menschen«, mischte sich Phil ein, »die es getan haben können.«
»Natürlich, aber ich kenne keinen. Und ich behaupte auch nicht mit wirklicher Sicherheit, dass er es gewesen sein muss. Aber er ist ein leichtsinniger und rücksichtsloser Mensch. Er hat vor niemand Achtung, hat sich all sein Lebtag keine Sorgen machen müssen, und von anderer Leute Geld gelebt. Jetzt hat er plötzlich kein Geld mehr. Zwei gefälschte Schecks kamen zu mir, ich habe sie nicht anerkannt.«
»Hat Ihre Schwiegertochter irgendeine Ahnung von der Existenz dieses Mannes?«
»Nein. Merkwürdigerweise hat er nie einen Versuch gemach in meine Familie einzudringen. Er ist nie in der Irwin Avenue gewesen und hat niemals dort angerufen.«
Er fuhr mit uns in die Fordham Avenue. Wir ließen den Jaguar ein paar Schritte vor dem Haus stehen, das er uns zeigte, und gingen mit ihm hinein.
»Er wohnt in der ersten Etage«, sagte er. Wir folgten ihm. Auf dem mittleren Treppenabsatz blieben wir stehen.
Der alte Wilkerton ging weiter. Dann hörten wir ihn klingeln.
Nach wenigen Sekunden wurde eine Tür geöffnet. Wir hörten die Stimme eines Mannes. »Du? Was willst du denn hier?«
»Mit dir sprechen«, entgegnete der alte Wilkerton.
Ein hartes Lachen schallte durch das Treppenhaus. »Hast dir die Sache wohl anders überlegt, was?«
»Ich wollte mir dir über etwas anderes sprechen, Jim!«
Es war einen Moment still. Dann hörten wir die Stimme des Sohnes: »So, und über was?«
»Willst du mich hier im Hausflur stehen lassen?«
»Ich kann dich nicht hereinbitten. Ich habe Besuch.«
»In allen vier Räumen?«
»Ach, was kümmert’s dich? Es geht eben nicht. Wie siehst du überhaupt aus? Dein Haar.«
Dumpf sagte der alte Mann: »Meine Frau ist erschossen worden.«
»Waas?«, brüllte der Junge.
»Und Harry ist entführt worden.«
»Was faselst du da?«
Ich sprang die letzten Stufen hinauf. Als ich den Mann an der Tür sah, blieb ich betroffen stehen. Er hatte tatsächlich eine so frappierende Ähnlichkeit mit seinem Vater, das man ihn fast mit ihm hätte verwechseln können, obgleich er doch wohl fünfundzwanzig Jahre jünger war. Nur sein Haar war dunkel, und das Gesicht hatte nicht ganz so tiefe Falten. Aber die gleiche hohe Figur, die gleiche Haltung, das gleiche Gesicht.
»FBI«, sagte ich.
Er lachte hart auf] »So ist das? Du hat die G-men gleich mitgebracht?«, sagte er und warf einen Blick auf Phil, der zu uns trat.
»Können wir hereinkommen?«, fragte ich.
Der Mann blickte mich an und gab dann zögernd den Eingang frei. »Natürlich. Die Polizei darf man ja nicht draußen lassen, wenn sie rein will.«
Der Korridor war dunkel. Tabakqualm und Alkoholdunst schlug uns entgegen. Aus einem Zimmer quäkte schrille Jazzmusik.
Ich ging voran, der alte Wilkerton folgte mir, dann sein Sohn. Den Schluss machte Phil.
Plötzlich zerschnitt der grelle Blitz eines Schusses das Halbdunkel.
Ich warf mich herum und riss den alten Wilkerton zu Boden.
Ein schwerer Gegenstand krachte polternd gegen eine Wand. Holz splitterte.
Ich konnte so gut wie nichts sehen. Dann wurde die Tür zum Treppenhaus aufgerissen. Ich erkannte die Gestalt des jungen Wilkerton.
»Stehen bleiben!«, brüllte ich.
Ich schoss in dem gleichen Augenblick, als Phil zur Tür rannte. Zu spät. Die Tür flog ins Schloss, und blitzschnell wurde von draußen abgeschlossen.
Während Phil mit der Tür beschäftigt war, rannte ich in das Zimmer, aus dem die Radiomusik kam.
Auf einer Couch hockte ängstlich zusammengekauert ein junges Mädchen und starrte mir mit angstgeweiteten Augen entgegen. Ich rannte an ihr vorbei zum Fenster, riss es auf und blickte auf die Straße.
Nichts war zu sehen.
Draußen wuchtete Phil mit einem schweren Gegenstand an der Tür herum.
Ich blickte an der Hausfassade hinunter. Die Stuckvorbauten erlaubten kaum einen Abstieg. In jedem Fall aber war es eine halsbrecherische Sache.
Ich musste es trotzdem riskieren. Ich turnte aus dem Fenster, klammerte mich an die Fensterbank und kam mit den Füßen auf einem handbreiten Mauervorsprung zu stehen. Ich hing wie ein Bergsteiger an einer Steilwand.
Unten rollte der Verkehr
Weitere Kostenlose Bücher