0177 - Der Gangster, dem New York gehörte
Kenneth.«
»Kommen Sie herein«, wurde geantwortet.
Ich drückte die Klinke nieder. Die Tür war nicht verschlossen.
Carel Kenneth lag in einem gestreiften Schlafanzug im Bett. Das Licht auf dem Nachttisch brannte. Er hielt ein Buch in der Hand. Die dicken Gläser der Brille funkelten uns an.
»Oh, die G-men. Verhaftung in der Nacht? Bitte, ich stehe zu Ihrer Verfügung.«
»Bleiben Sie liegen, Kenneth. Wir haben keinen Haftbefehl gegen Sie«, antwortete ich grimmig. »Wir bringen nur eine gute Nachricht. Kid Varuzzo ist tot.«
Er klappte das Buch zusammen, legte es auf den Nachttisch, schlug die Bettdecke zurück und stand auf. Er warf sich einen Bademantel über und kam mit seinem hinkenden Schritt auf uns zu. »Sie sollten den Tod eines Mitmenschen nicht eine gute Nachricht nennen«, sagte er spöttisch.
»Es war Mord!«
»Das kann ich mir denken. Nach allem, was ich über den jungen Mann weiß, war er ein gesunder Bursche.« Er machte eine kleine Pause und fuhr dann fort. »Und nach allem, was ich von den Gepflogenheiten des FBI weiß, sind Sie gekommen, um mir den Mord anzuhängen, nicht wahr?«
»Sie haben vorgesorgt. Das wissen wir schon. Ihr Alibi ist gut, aber wir werden den Mann finden, den Sie für diesen Mord bezahlt haben.«
Während ich sprach, war Phil an mir vorbei zu dem Tisch gegangen, der ungefähr in der Mitte des Zimmers stand, flankiert von zwei Sesseln. Ein Teeservice stand darauf, und Phil hob den Deckel von der Kanne.
»Ist das der Tee, den Sie sich bestellt haben, Mr. Kenneth?«, fragte er sanft.
»Ja«, antwortete Kenneth. Es klang nervös.
»Behagte er Ihnen nicht?«
»Ich verstehe nicht. Was meinen Sie?«
»Die Kanne ist bis zum Rand gefüllt. Sie haben nichts davon getrunken.« Er hob die Tasse. »Auch die Tasse wurde nicht benutzt.«
Carel Kenneth zuckte die Achsel.
»Welch interessante Entdeckung, mein lieber Sherlock Holmes! Nehmen Sie an, dass ich plötzlich keinen Appetit mehr auf den Tee verspürte. Falls Sie die Erklärung nicht befriedigen sollte, so suchen Sie sich eine andere. Sonst noch etwas?«
Ich hätte ihm noch einige Fragen stellen können, aber es war sinnlos. Er hatte ein Alibi für die Tatzeit. Er mochte den Mord bezahlt haben, aber er hatte ihn nicht ausgeführt.
»Entschuldigen Sie die Störung, Kenneth«, sagte ich und ging zur Tür. »Gute Besserung für Ihre Gesundheit.«
»Danke, ich fühle mich schon wieder vollständig wohl«, antwortete er spöttisch.
***
Wir fuhren zum Hauptquartier. Im Büro wartete Henry Lawn auf uns, ein Beamter des Nachtdienstes.
»Hallo, Jerry«, begrüßte er uns. »Ich war für dich bei der Frau dieses Gefängniswärters Baker. Kleine, vertrocknete Frau von rund fünfzig Jahren. Sie hatte keine Ahnung, wo ihr Mann stecken könnte. Er ist pünktlich und wie üblich zum Dienst gegangen. Mrs. Baker begriff nicht recht, als ich ihr auseinandersetzte, dass ihr Mann aus dem Gefängnis verschwunden sei. Sie glaubte, er wäre überhaupt nicht zum Dienst gegangen und sie begann, mächtig zu wettern. Donnerwetter, ich hatte nicht erwartet, dass in der kleinen Person alle die Worte Platz hatten, die sie jetzt heraussprudelte. Sie war einfach nicht zu stoppen. Wenn ich sie richtig verstanden habe, so verdächtigte sie ihren Gatten, sich in letzter Zeit mit fragwürdigen Damen herumgetrieben zu haben. Zum Schluss weinte sie und jammerte, nun habe der Kerl sie auch noch um die Pension gebracht.«
»Henry, das könnte ernster sein, als es aussieht. Baker wäre nicht der erste Mann, der nach zwanzig ehrsam verbrachten Jahren den Kopf verliert, weil ein Frauenzimmer ihm schöne Augen macht. Konntest du keine Einzelheiten erfahren?«
»Langsam!«, grinste Lawn. »Ich musste Mrs. Baker erst ausreden lassen, bevor ich ihr vernünftige Fragen stellen konnte. An Tatsachen hatte sie nicht viel zu liefern. Der Gefängniswärter hat sich in letzter Zeit Unregelmäßigkeiten erlaubt. Er kam nicht pünktlich nach Hause. Zweimal blieb er die halbe Nacht weg. Sein Anzug roch nach Parfüm, und außerdem zapfte er das Familienkonto über das vorgesehene Maß an. Kurz und gut, es war die übliche Ehekrise, und Mrs. Baker scheint nicht gezögert zu haben, ein Riesentheater zu machen, aber erwischt hat sie ihren Gatten nie. Wie Chris Bakers Seitensprung ausgesehen hat, konnte sie mir nicht sagen, und ich bin nicht einmal sicher, ob wirklich eine Frau hinter den Eskapaden des Gefängniswärters steckt.«
»Vielen Dank, Henry. Ich glaube, sonst
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