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0192 - Die Todessekte

0192 - Die Todessekte

Titel: 0192 - Die Todessekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Hartsch
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Tempeltor ist erhalten geblieben«, stellte Nicole fest.
    Zamorra seufzte.
    »Wenn ich sehe, was vergangene Jahrhunderte überdauert hat und uns von den älteren Generationen übergeben wurde, frage ich mich manchmal, was wir denn unseren Nachfahren Erhaltenswertes vermachen? Ich sehe nicht viel.«
    »Was glaubst du, warum ich Historiker geworden bin?« Bill lächelte. »Ich möchte mich nicht mit den Problemen der Gegenwart herumschlagen. Sie sind profan und unbefriedigend, noch dazu selbst verschuldet.«
    »Warum tretet ihr nicht der Nichiren-Sekte bei? Die pflegt doch die alten Traditionen«, schlug Nicole ein wenig spöttisch vor.
    »Unterschätze mir diese Leute nicht«, warnte Bill. »Sie haben die Zeichen der Zeit erkannt. Sie sehen besser das unheilvolle Wirken der Yashi-Dämonen hinter dem Blendwerk des Modernen. Und sie allein sind bereit, zu kämpfen. Sie spüren die Anhänger der Mordsekte auf. Alle anderen Normalbürger begnügen sich damit, morgens in der Zeitung ihr Horoskop zu lesen und sich auf irgendeinen Schnickschnack von Amulett zu verlassen, den sie in einem Warenhaus erwerben.«
    »Jetzt hört aber auf mit dem Schwarzsehen«, seufzte Nicole, während sie bereits ihre Sachen auspackte. Natürlich hatte sie wieder viel zu viele ihrer hübschen Kleider eingepackt. Zamorra hatte einen Batzen Geld bezahlen müssen wegen Übergewicht des Fluggepäckes.
    Jetzt schauten die beiden Männer erstaunt zu, was eine Frau alles für einen Japanaufenthalt brauchte, der nicht gerade der Unterhaltung und Entspannung diente, sondern schwerer, gefährlicher Arbeit gewidmet war, deren Ausgang keineswegs feststand.
    »Ich denke, ich dusche und rasiere mich, ehe wir aufbrechen. Vielleicht sollten wir auch vorher eine Kleinigkeit essen?« Zamorra schaute seine Begleiter an.
    »Fragt mich, wenn ihr Vorschläge braucht. Ich stimme für Sukiyaki, das ist auf dem Pflug Gebratenes und stammt aus der strengen buddhistischen Zeit, als den Bauern Fleischgenuß untersagt war. Oder soll es lieber Sushi sein, ein Gericht mit kleinen Klößen aus angesäuertem Reis mit einer Scheibe rohen Fisches belegt?«
    »Genug, genug«, wehrte Zamorra lachend ab. »Wir wissen ja, daß die Spezialitäten eines Landes es dir angetan haben…«
    ***
    Die bleiche Sichel des Mondes »berührte« die Spitze einer Bergzeder, die den silbrigen Schein tausendfach fächerte.
    Ein Weg aus goldgelbem Sand führte zu dem Kloster, das von einer weißen Mauer umgeben war. Dahinter erstreckte sich ein paar Quadratmeter gelbbraunes Gras und zierliche Büsche, ehe jenseits des Tores der Ewigen Glückseligkeit das Bauwerk aufragte, das von den Nichiren aus den Resten einer heiligen alten Tempelanlage wiedererrichtet worden war, in dem einst der heilige Schrein gestanden hatte, bevor die Soldaten des Shogun ihn brandschatzten.
    Bill Fleming, der vorausging, schlug einen Gong neben dem Eingang.
    Schweigend warteten die Besucher, bis eine Gestalt in gelber Toga auftauchte und sich stumm verneigte.
    Der Amerikaner sagte, warum sie gekommen waren.
    Der junge Mönch verzog keine Miene. Er nahm einen Wedel, tauchte ihn in geweihtes Wasser, und erst dann forderte er die Gäste in akzentfreiem Englisch auf, ihm zu folgen.
    Sie gingen einen langen Gang entlang, der nur durch Öllampen beleuchtet wurde, die einen schwachen und flackernden Schein verbreiteten.
    Unwillkürlich hielt Nicole den Atem an. Der Geruch des Weihrauches legte sich schwer auf ihre Brust.
    Sie gelangen in eine Zelle, deren rechte Wand aus einem vielfach gebrochenem Holzschnitzwerk bestand.
    Sato war ein hagerer junger Mann mit sehr ernstem Gesicht. Er hockte mit gekreuzten Beinen auf einer Bastmatte. Räucherstäbchen brannten und verbreiteten einen betäubenden, süßlichen Geruch. Der Eremit schien in einem sehr alten Buch gelesen zu haben.
    Eine Öllampe spendete karges Licht.
    Bill Fleming plauderte unverbindlich, ehe er auf den Kern seines Anliegens kam.
    Sato hörte gelassen zu. Er trug eine randlose Brille. Seine braunen sanfte Augen schauten die ungewohnten Besucher an, als wisse der Mönch bereits alles und wolle sich seine Vermutungen nur noch einmal bestätigen lassen. Er stellte keine Fragen und zeigte keinerlei Ungeduld, wahrscheinlich das Ergebnis einer langen und harten Erziehung.
    Sato signalisierte weder Zustimmung noch Ablehnung.
    Erst, als der Amerikaner schwieg, erhob sich der Einsiedler, der zwar Besucher empfing, selbst seine Zelle aber seit Jahren nicht mehr verlassen hatte,

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