0192 - Die Todessekte
getötet. Man hat ihn im Ueno-Park gefunden, ohne ein anderes Zeichen äußerlicher Gewaltanwendung als, eine Bißwunde am Hals.«
»Wie scheußlich«, entsetzte sich Nicole, die keinen Gefallen mehr fand an den bunten Bildern, die ihr eine Fahrt durch die japanische Hauptstadt bot. Sie schaute den amerikanischen Historiker strafend an.
»Du brauchst dich nicht so ins Zeug zu legen, ich weiß, daß es einen Yashi-Dämonenkult gibt. Der Geheimbund schien im sechzehnten Jahrhundert ausgestorben, erneuerte sich im achtzehnten und war lange Zeit nur einem kleinen, eingeweihten Zirkel bekannt, bis er nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu neuer Blüte fand.«
»Und du meinst, wir würden eine neue Auflage des uralten Streits zwischen den buddhistischen Nichiren und den Yashi erleben?«
»Ich bin absolut sicher. Denn ich habe mein Amulett gespürt, als wir uns am Telefon über deine Probleme unterhielten. Sonst hätte ich wohl schwerlich diese Eile an den Tag gelegt, mein Lieber.«
Professor Zamorra warf einen interessierten Blick auf den kaiserlichen Palast, den sie gerade passierten. Sie folgten der Stadtautobahn.
»Ich danke euch jedenfalls, daß ihr gekommen sei«, fuhr Bill fort. »Ich hätte nicht gedacht, daß sich meine Studien so komplizieren würden. Hier ist übrigens die Zeitung, in der vom Tod des Studenten Shio die Rede ist. Die Öffentlichkeit zeigt sich schockiert, und die Polizei ist ein wenig hilflos. Sie hat genug mit ganz normalen Mördern zu tun und es fällt den Beamten natürlich schwer, umzudenken. Vorläufig haben die Polizeilabors noch das Wort. Man will die Todesursache keineswegs akzeptieren und hofft, doch noch ein Gift als Grund zu finden für das Ableben des Unglücklichen. Nur passen die Zeugenaussagen nicht recht dazu. Danach ist Shio einer hübschen Frau in den Park gefolgt, die ihm eine eindeutige Offerte machte, sicher nicht, um ihn zu vergiften. Mein Kronzeuge ist Sato, jener Nichirenmönch, der seinen Bruder verloren hat. In der fraglichen Nacht saß er im Tempel und meditierte, als vor seinem geistigen Auge das Gesicht seines Bruders auftauchte, angstverzerrt. Shio hat den Mönch stumm um Hilfe angefleht. Er kam leider zu spät, aber er hat den Schauplatz es Verbrechens als erster gefunden.«
»Daraus könnte ihm ein phantasieloser Kriminalbeamter aber einen Strick drehen«, warf Nicole in die Debatte.
»Das ist natürlich auch versucht worden - und zwar von ausländischen Sachverständigen«, räumte Bill ein. »Hier in Japan ist man nicht nur von dem überzeugt, was man sieht oder anfassen kann. Dieser platte Materialismus ist den Asiaten fremd. Sie wissen um die Seele der Dinge und die Kraft einer Energie, die nicht aus physikalisch meßbaren Quellen stammt. Man hat sich die Ursprünglichkeit des Wissens um übernatürliche Dinge bewahrt.«
»Wann sehen wir Sato?« Zamorra schaute seinen langjährigen Freund und Helfer an.
»Wenn es dir recht ist, suchen wir ihn auf, nachdem du dich ein wenig frisch gemacht hast«, schlug der Amerikaner vor.
»Gibt es schon neue Erkenntnisse über den schwarzen Zirkel, der mit Yashi-Dämonen operiert?« fragte Nicole neugierig. »Ich denke, diese Leute müssen wir in erster Linie aufs Korn nehmen, wenn wir den Spuk brechen wollen.«
»Leider muß man Jahre im Land sein, um darüber etwas Handfestes zu erfahren. Die Mitglieder sind ausschließlich Japaner und kapseln sich aus begreiflichen Gründen gegen ihre eigenen Landsleute ab. Da werden sie nicht gerade einem Fremden Einblick gewähren. Und die Polizei tappt natürlich im Dunkeln.«
Da konnte uns Sato behilflich sein.
»Ich weiß, daß die Nichiren es mit der guten, der weißen Magie halten. Er verfügt ebenfalls über außergewöhnliche Kräfte, wie er bereits bewiesen hat. Er muß uns helfen«, überlegte Zamorra.
»Das wird er sicher tun, schließlich geht es um den Mord an seinem eigenen Bruder«, erklärte Bill.
Der Wagen rollte vor den Eingang des Prince Hotel.
Der Portier riß den Wagenschlag auf. Pagen kümmerten sich um das Gepäck, und Bill besorgte die Zimmerschlüssel.
Sie fuhren mit dem Lift in den elften Stock.
»Seht nur mal aus dem Fenster«, sagte Bill.
Nicole und Zamorra taten ihm den Gefallen.
»Der Park da unten gehörte früher zum Zojoji-Tempel«, erklärte Bill, »der 1605 als Familientempel der Tokugawa gebaut und 1923 durch ein Erdbeben zerstört wurde. Was noch stand, bekam im Zweiten Weltkrieg durch Bomben den Rest.«
»Wenigstens das große
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