0192 - Die Todessekte
steckte.
Ungläubig betastete jeder, der vorbeikam, die Statue, und die am Ende marschiert waren, nicht mit eigenen Augen den Vorfall gesehen hatten, glaubten nicht an die Geschichte der unmittelbar Beteiligten.
Weiter ging es, bergauf.
Und plötzlich ertönte in der Dunkelheit ein Knarren wie von lederner Rüstung. Ängstlich schauten sich die Beamten um. Die Fackeln, die sie in Händen hielten, entrissen der Finsternis nicht ihr Geheimnis, aber das Geräusch schwoll an.
Und dann sahen die Entsetzten eine Heerschar gepanzerter japanischer Ritter auf sich zumarschieren. Der Feind griff aus der Flanke an und kannte offenbar keine Naturgesetze, die es ihm verboten und unmöglich machten, eine Steigung von sechzig Grad zu nehmen.
Unaufhaltsam rückte die Geisterarmee vor. An der Spitze erkannte man jetzt deutlich einen alten Mann, dessen Totenschädel vom Kinnriemen seines Lederhelmes zusammengehalten wurde. Der lappenartige Nackenschutz flatterte im Nachtwind.
Lanzen und Speere funkelten im schwachen Licht.
Der Alte auf seiner klapperdürren weißen Mähre zog das Schwert und gab das Angriffssignal. Seine Horde jagte los, geifernd und kreischend. Sensen und die abenteuerlichsten Waffen pfiffen durch die Luft.
Muhara ließ seine Beamten feuern.
Die Wirkung schien gleich Null.
Die Gespenster hetzten weiter.
Da sprang Zamorra vor, das Amulett in der Hand, das magisch glühte. Und die Unirdischen prallten wie gegen eine Mauer. Sie brachen zusammen und verschwanden wie ein Spuk.
Aber auch die Polizisten hatten genug.
Ehe sich Zamorra versah, stand er allein mit Muhara in der Nacht, immer darauf gefaßt, daß ihn die nächste Chimäre ansprang. Der Einfallsreichtum der Verteidiger schien unerschöpflich. Und wie schnell hatten sie sich auf das Abwehrmittel der Polizisten eingestellt. Diese Wesen hier reagierten überhaupt nicht auf Knoblauch.
»Verschwinden wir«, meinte Zamorra, und langsam setzte er sich ab.
Muhara, dem die Zähne klapperten wie Kastagnetten, hielt sich dicht bei seinem Beschützer, und wenn er stolperte, klammerte er sich verängstigt an den Professor.
»Wir können von Glück reden, daß wir nicht Verluste zu beklagen haben«, meinte der Franzose ärgerlich. »Auf jeden Fall haben wir den Gegnern einen ersten Sieg überlassen. Das erhöht ihre Zuversicht und erschwert es den Nichiren, die feindliche Armee zu besiegen.«
Plötzlich erhob sich ein Rauschen in der Luft.
Lautlos segelten zwei Raben heran. Sie hatten die Krallen gekrümmt und die Schnäbel, spitz wie Dolche, fest geschlossen. Jeder nahm einen der Eindringlinge aufs Korn und flog einen entschlossenen Angriff.
Wieder mußte sich Zamorra seines Amuletts bedienen.
Ein wehklagender Ruf ertönte, und kurz vor dem Ziel lösten sich die Tiere auf, als habe es sie nie gegeben. Ein Büschel Federn lag kurze Zeit in der Luft, schwebte zu Tal und verschwand.
»Ich werde verrückt«, stöhnte Muhara.
Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie das Camp. Dort trafen sie auf reichlich verstörte Polizisten. Und von den Nichiren fehlte noch jede Spur. Es war Nicole Duval, die den Ton zuerst wahrnahm. Sie erhob sich und lauschte gebannt…
***
Die lange Reihe der Mönche lief auf einem Damm entlang, der zwei Reisfelder trennte, und die Konturen der Männer hoben sich scharf ab gegen den grauen Hintergrund. Nebel wallte an den Berghängen und verlieh den Büschen und Bäumen ein gespenstisches Eigenleben.
Langsam wurde der schrille Ton der Knochenflöte deutlicher, und dazwischen erklang das dumpfe Pochen der Handtrommeln. Sie gaben den Takt an, und die Leiber bewegten sich maschinenhaft, unermüdlich.
Am Fuße des Berges trafen sich die beiden Gruppen.
Den Nichiren war keine Erschöpfung anzusehen. Sie sanken nicht disziplinlos zu Boden, sobald Sato das Zeichen gab zu halten. Sie scharten sich um die heilige Fahne, die im Winde flatterte.
Sie alle trugen ein weißes Stirnband.
Es gab einen kurzen Wortwechsel zwischen Inspektor Muhara und Sato. Der Mönch bestand darauf, daß er und Zamorra an der Spitze marschierten und die Polizei sich im Hintergrund hielt. Er schien wenig davon erbaut, daß so viele Menschen, die gar nicht die Voraussetzung für diesen Kampf mitbrachten, eingespannt wurden. Soweit es ihn betraf, störten sie nur.
Auch Muhara mußte einräumen, daß er Fehler begangen hatte. Und die Tatsache, daß er keine entscheidende Niederlage hingenommen hatte, verdankte er eher dem französischen Parapsychologen.
Sato
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