0193 - Ich heulte mit den Wölfen
hatten, drei Millionen herausschinden und hätten ihrem Vater angeboten, das Kind gegen Zahlung dieser Summe zurückzugeben. Das war genau das Gegenteil von dem, was Nadine beabsichtigt hatte. Sie bemühte sich verzweifelt, mich zu veranlassen, dass ich sie zu dem Versteck begleite und Robby in Gutem oder notfalls in Bösem weghole. Ich versuchte vergebens, ihr klarzumachen, dass sie keine Chance habe, gegen Gangster aufzukommen, und dass ich nicht die geringste Lust hätte, mich auf ein verbrecherisches Abenteuer einzulassen. Ich riet ihr dringend, zu Ihnen zu gehen und zu beichten, aber sie wollte nicht. Sie war verbohrt. Es gab für sie nur eines, und das war die fixe Idee, sie müsse Robby in ihre Gewalt bekommen und verschwinden lassen. Darüber, was mit der Kinderschwester geschehen sollte, hatte sie sich überhaupt keine Gedanken gemacht. Sie hatte Sarpent nur geraten, man solle diese mitnehmen, damit auch der Junge ohne Schwierigkeiten mitgehe und er seine gewohnte Ordnung habe. Ich glaube, sie bildete sich ein, sie könne Doris bestechen oder einschüchtern. Wenn ich natürlich gewusst hätte, dass sie mit offenen Augen in den Tod 54 ging, hätte ich vorgezogen, meinerseits zur Polizei zu gehen. Um nun Vernehmungen und damit der Notwendigkeit, die Wahrheit zu gestehen, aus dem Wege zu gehen, fuhr ich nach Atlanta. Ich hatte die Absicht, nach ein paar Tagen, wenn, wie ich mir einbildete, alles erledigt war, zurückzukehren. Gestern erfuhr ich, dass Nadine tot ist und fasste sofort den Entschluss, nach New York zu kommen und das auszusagen, was ich wusste. Daran hinderte mich nur die Tatsache einer Verhaftung.«
Was Ovoll mir da erzählt hatte, entsprach dem, was ich bereits wusste. Nur den Schluss glaubte ich ihm nicht. Der Mann war kein Verbrecher, aber ein Feigling und Faulenzer, der seine bequeme Einkommensquelle nicht hatte verlieren wollen und nur darum den Mund gehalten hatte. Mr. Ovoll irrte sich, wenn er glaubte, mit einem blauen Auge davonzukommen. Er hatte die Entführer gedeckt, und es kam gar nicht darauf an, aus welchen Gründen er das getan hatte. Vorläufig ließ ich ihn auf Nummer sicher bringen, und am nächsten Morgen würden wir einen Haftbefehl gegen ihn erwirken.
***
Dann setzte ich mich mit Phil und Neville zusammen, um die Lage zu besprechen. Wir redeten hin und her, bis Neville mit der Hand auf den Tisch schlug.
»Ihr lasst euch viel zu sehr von Kleinigkeiten beeinflussen. Was gehen euch diese verrückte Mammi, die Porter oder Ovoll an? Sie haben mit der Entführung des Robby Windlass doch nichts zu tun. Die Lage ist im Augenblick die: Gangster haben den Jungen und die Kinderschwester in ihrer Gewalt. Sie wollen drei Millionen dafür haben, die sie von dem alten Parker verlangten. Parker ist tot. Sie müssen sich also an jemand anders halten, und dieser Jemand ist die Mutter des Kindes. Du kannst mich braten, wenn sie das nicht getan haben. Ich an eurer Stelle würde diese Frau auf Schritt und Tritt beschatten lassen. Ich würde mich sogar nachts unter ihr Bett legen.«
»Du vergisst, Neville«, sagte ich, »dass sie die geforderten drei Millionen überhaupt nicht besitzt. Sie kann sie nur durch den Anwalt bekommen, und der würde uns sofort benachrichtigen.«
»Oh, du harmloses Gemüt«, sagte der alte G-man. »Du hast keine Ahnung, wozu eine Mutter imstande ist, wenn es um ihr Kind geht. Patsy mag sein wie sie will, aber in diesem Fall wird sie jeden Hebel in Bewegung setzen, um das Lösegeld aufzutreiben. Jedermann weiß, dass sie Parkers Tochter ist. Verdammt noch mal, die Frau ist nicht für drei, sondern für dreißig Millionen gut. Wozu gibt es denn Geldverleiher, wozu Leihhäuser? Mach dich auf die Strümpfe und besuche sie. Wenn du Glück hast, ist sie schon weich genug, um ihr Garn zu spinnen. Und wenn nicht, dann musst du eben so dahinterkommen, was los ist.«
Neville hatte Recht. Patsy Windlass war die Einzige, die uns aus der Sackgasse, in die wir geraten waren, herausführen könnte. Ich überließ es also Phil, die Unterlagen für den Haftbefehl gegen Ovoll zusammenzustellen, und beeilte mich.
Die Gegend um das Parkersche Grundstück war merkwürdig belebt. Es gab Vermessungstrupps, die aber nur für den Laien so aussahen. Telefonarbeiter, die nicht vorhandenen Defekten in imaginären Leitungen nachliefen; einen dösenden Taxichauffeur, Straßenfeger und eine Menge einzelner Herren, die offenbar nichts anderes zu tun hatten, als das schöne Herbstwetter zu
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