0198 - Wir rammten die Luftpiraten
einzusteigen.
Am zweiten Tag sah ich im Empfangsraum der United-Assurance dieselbe Vorstellung wie am ersten, nur mit anderen Schauspielern. Da kam zum Beispiel eine ganz in Schwarz gekleidete, tief verschleierte Dame, die vom Schmerz beinahe zu Boden gedrückt wurde. Ich schenkte ihr weiter keine Beachtung und dachte darüber nach, was zu tun sei, wenn die Banditen nicht in unsere hübsche Falle gingen.
»Darf ich Ihnen zuerst die Anteilnahme der United-Assurance an Ihrem tragischen Verlust aussprechen, Mrs. Break?« hörte ich die Empfangsdame flöten.
Augenblicklich rasselten in meinem Kopf tausend Alarmsignale. Ich erhob mich langsam. Mrs. Break wandte mir kurz ihr verschleiertes Gesicht zu, sah wieder weg und öffnete ihr schwarzes Handtäschchen und zog ein Taschentuch hervor, mit dem sie über die Augen tupfte.
In solchen Situationen habe ich vor Damenhandtaschen einen höllischen Respekt, denn sie enthalten sehr oft irgendwelche niedlichen Schießeisen. Als ich daher neben die Empfangsdame trat, streifte ich mit einer scheinbar ungeschickten Armbewegung das schwarze Täschchen von der Tischplatte. Der harte Aufschlag am Boden verriet mir alles.
»Mrs. Break«, sagte ich mit dem scheinheiligsten Gesicht der Welt, »dürfte ich Sie bitten, sich auszuweisen? Sie verstehen sicher, daß wir bei derart hohen Summen…« Ich schwieg und tat so, als wäre mir dies Ansinnen überaus peinlich.
»Aber selbstverständlich«, kam ihre Stimme merkwürdig tief hinter dem fast undurchdringlichen Schleier hervor.
Und schon bückte sich die Dame in Schwarz nach ihrer Handtasche. Als Kavalier konnte ich das natürlich nicht zulassen und als G-man noch viel weniger.
Da wir uns beide bückten, trafen unsere Köpfe auf halbem Weg beinahe zusammen. Trotz des Schleiervorhangs blickte ich in stechende, eiskalte Augen. Im gleichen Moment war ich mit unfehlbarer Sicherheit überzeugt, nicht eine Frau, sondern einen der verwegenen Luftpiraten selbst vor mir zu haben. Ich stieß mit dem Fuß gegen die Tasche, daß sie durch den ganzen Raum schlidderte. Gleichzeitig griff ich nach der Null-acht.
Da erschien eine behandschuhte Hand mit einem Taschentuch vor meinen Augen, ein wahnsinniger Schmerz jagte unter meine Lider. Ich sah nichts mehr.
Dann hörte ich den Tisch umpoltern, die Empfangsdame schrie gellend auf, ich riß die Null-acht heraus und feuerte in Richtung der Tür, aber es war zu spät.
Man hat mich ja schon verschiedentlich außer Gefecht gesetzt, aber auf eine so blödsinnige Weise, mit Pfeffer in die Augen, das ist direkt unverzeihlich — wenigstens für einen G-man. Ich raste förmlich. Einmal aus Wut über die schmähliche Niederlage, und zum anderen, weil der Pfeffer verteufelt in den Augen brannte. Trotzdem torkelte ich an den Wänden entlang zum Lift, tastete nach dem untersten Druckknopf und fuhr ins Erdgeschoß hinab.
Für Bruchteile von Sekunden konnte ich jeweils die Augen aufreißen, die nächsten Schritte voraussehen und dann weitertaumeln. So gelangte ich zu meinem Jaguar, den ich in einer Querstraße abgestellt hatte. Ich klemmte mich hinters Lenkrad und wischte meine glühenden Augen so gut aus wie es eben ging. Dann startete ich.
Natürlich war es völlig sinnlos, einem mir unbekannten Wagen mit einer schwarzverschleierten Dame am Steuer nachzujagen. Ich wußte ja nicht mal die Richtung, die er eingeschlagen hatte.
Aber schließlich können Sie nachfühlen, wir mir zumute war. Ich war derart wütend, daß ich einfach irgend etwas unternehmen mußte. So fuhr ich, die Augen krampfhaft aufgerissen, die Fünfte Avenue entlang, über den Broadway, schaltete Rotlicht und die Sirene ein, Sah mir an jeder Kreuzung die tränenden Augen aus dem Kopf nach einem Wagen mit einer Dame in Trauerkleidung am Lenkrad.
Eine geschlagene Stunde brauste ich kreuz und quer durch die City, kurbelte am Central Park vorbei nach Harlem, jagte die fünfte Avenue zurück nach Wallstreet. Ich donnerte über die Brooklyn Bridge nach Brooklyn — selbstverständlich ohne jeden Erfolg.
Geschlagen fuhr ich zu unserem Distriktsbüro und berichtete voller Ärger mein schmähliches Versagen. Mr. High suchte mich zu beruhigen:
»Jerry, nehmen Sie‘s nicht so tragisch. Mit einem derartigen Trick konnten Sie wirklich nicht rechnen. Sie werden die Scharte schon wieder auswetzen.«
»Das ist leicht gesagt, Chef!« sagte ich. »Jetzt sind die Burschen gewarnl und werden sich nicht mehr so schnell zeigen!«
»Ruf doch mal bei den
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