02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
seinem Kamerateam in den Je-389
men begleiten, um dort Nadia und die Kinder der beiden Schwestern ausfindig zu machen. Die Macht der Medien war mir nie deutlicher als in diesem Moment.
Fünf Tage später reisten Zana und ihre Mutter in Begleitung eines Kamerateams und meines Verlegers Bernard Fi-xot in den Jemen. Leider hielt die jemenitische Regierung ihr Versprechen nicht. Nadia, die inzwischen 26
Jahre alt war, wurde zwar zu dem Treffen mit ihrer Schwester und den anderen gebracht - allerdings ohne ihre Kinder, die sie im Dorf hatte zurücklassen müssen. In Gegenwart von 30 bewaffneten jemenitischen Soldaten beharrte die offensichtlich eingeschüchterte, zitternde Nadia darauf, sie wolle das Land nicht verlassen. Es war unmöglich, ihr ihre wahren Gefühle zu entlocken. Vielleicht fühlte Nadia, daß es zu spät für sie war und daß sie -
von ihren eigenen Wünschen einmal abgesehen - die Kinder einem solchen Schock, wie es die Verpflanzung in eine völlig andere Kultur gewesen wäre, nicht aussetzen durfte.
Auch wenn Nadia, ihre Kinder und Markus noch heute im Jemen sind, eines macht dieser Entführungsfall ganz deutlich: Die französische Öffentlichkeit erfuhr von diesem Skandal, war empört darüber, daß britische Staatsbürger im Jemen gefangengehalten wurden, und handelte.
Die französische Reaktion muß im Zusammenhang mit unserer sich immer schneller verändernden Welt gesehen werden. In den letzten Jahren haben wir eine ganze Reihe umwälzender Wandlungen erlebt. Die Stimme der Freiheit wurde gehört, und viele, die bis dahin unter dem Diktat des Kommunismus leben mußten, folgten ihr.
Araber und Israelis kommen zu Friedensgesprächen zusammen. Der Krieg im Persischen Golf hat bewiesen, daß die Länder der Erde Aggressionen gemeinsam entgegentreten können.
In ihrer Gesamtheit lassen diese Ereignisse auf die Entstehung eines globalen Bewußtseins schließen: auf gemeinsame
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Prinzipien und Handlungen, auf eine wachsende Einheit, die durch den umwälzenden Fortschritt in der Kommunikation und im Verkehrswesen begründet ist. Das neue Bewußtsein hat die Vision einer neuen Welt zur Folge, in der nationale Grenzen überwunden und die Schwachen geschützt werden.
Ein wichtiger Bestandteil der neuen Vision ist, daß alle Kinder angeborene Rechte haben und nicht gewaltsam aus einer Kultur herausgerissen und in eine andere verpflanzt werden sollten. Diesem Ziel gilt die Organisation
»One World: For Children«, die ich zusammen mit Arnie Dun-chock aufgebaut habe. Die Organisation widmet sich der interkulturellen Verständigung und dem Schutz von Kindern überall auf der Welt. Sie wurde 1990
offiziell gegründet und erhielt im darauffolgenden Jahr einen steuerfreien, gemeinnützigen Status.
In unserer Grundsatzerklärung steht, daß die Organisation nach einer »neuen Weltordnung strebt, in der Vernunft vorherrscht und die Rechte der Kinder anerkannt und geschützt werden«.
»One World: For Children« ermöglicht, den von einer Kindesentführung betroffenen Eltern, die mich jeden Tag anrufen, systematischer zu helfen. Die Organisation fördert die Verständigung zwischen unterschiedlichen Kulturen, berät Eltern, deren Kinder entführt worden sind, und vermittelt den Kontakt zu Behörden und Sachverständigen.
Wir sagen nicht, daß man sich nicht in Menschen aus einem anderen Kulturkreis verlieben sollte. Jedesmal wenn ich Mahtab ansehe, wird mir klar, welch ein Geschenk eine solche Beziehung sein kann. Aber wir raten allen, sich so viel Wissen wie möglich über das kulturelle und familiäre Leben in der Heimat des zukünftigen Partners anzueignen. Diese Art der Aufklärung in Verbindung mit einer offenen Diskussion kann einer Ehe nur helfen -
und vor allem den Kindern, die dieser Ehe entspringen.
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Die Vision des Haager Abkommens wird von unserer Organisation geteilt. Ich kann nur hoffen, daß die Zahl der Vertragsstaaten weiterhin wächst - vielleicht etwas schneller als in der Vergangenheit. Selbst wenn Staaten dem Haager Abkommen formell nicht beitreten, bleibt doch zu wünschen, daß sie Entführungsfälle in gegenseitigem Einvernehmen regeln.
Ich stelle mir eine Welt vor, in der die Rechte von Kindern respektiert und kulturelle Unterschiede anerkannt werden; eine Welt, in der kein Kind zu fürchten braucht, Mutter oder Vater zu verlieren, und in der es keine verlassenen Eltern gibt.
Die Welt hat endlich begonnen, vom Problem der internationalen elterlichen Kindesentführung
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