02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
eindrucksvolle Bibliothek umfaßt Bücher über Kulturen und Religionen aus aller Welt, darunter auch einige von der Gruppe verfaßte Werke über gemischtnationale Ehen und Beziehungen. Andere Räume sind mit Kunstwerken geschmückt. Im Raum für Indien kann man zum Beispiel indische Musik hören, indische Bücher lesen, über indische Teppiche gehen und sogar indisch essen.
Die IAF hat bei deutschen Gerichten einen guten Ruf und wird oft zur Beratung herangezogen, wenn es um interna-381
tionale Fälle des Sorge- oder Besuchsrechts geht. Besteht die Gefahr einer Kindesentführung, wird der elterliche Besuch unter Aufsicht im Haus der IAF abgehalten. Die IAF bietet auch eine Eheberatung an sowie allgemeine Informationen für alle, die einen Partner aus einem anderen Kulturkreis heiraten wollen.
Trotz aller Zuversicht bin ich jedoch realistisch genug einzusehen, daß kein Land, so gut seine Absichten auch sein mögen, dieses Problem allein lösen kann. Internationale Probleme können definitionsgemäß nur auf internationaler Ebene gelöst werden. Dieses Ziel verliere ich nie aus den Augen.
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eine Welt für Kinder
Das Haager Abkommen ist die beste Lösung, um mit dem Problem der internationalen Kindesentführung fertig zu werden.
Die steigende Zahl der Entführungsfälle in Kanada führte zur Ausarbeitung des Haager Abkommens über die zivilrechtlichen Aspekte der internationalen Kindesentführung. Frankreich und Portugal schlossen sich Kanada im Jahre 1980 an und unterzeichneten das Abkommen.
1988, ein Jahr nach der Veröffentlichung von Nicht ohne meine Tochter, ratifizierten die Vereinigten Staaten als zehntes Land das Haager Abkommen. Mittlerweile gibt es 24 Unterzeichnerstaaten. Im Grunde genommen erkennen die Mitglieder der Vereinten Nationen die Grundsätze des Haager Abkommens an.
Im Jahre 1991 reiste ich nach Den Haag und sprach dort mit Adair Dyer, der am Entwurf maßgeblich mitgearbeitet hatte. Er erklärte mir die Entstehungsgeschichte und die Einzelheiten des Abkommens.
Das Haager Abkommen besagt in Kürze, daß jedes Kind unter 16 Jahren, das »widerrechtlich« in ein anderes Land gebracht worden ist, sofort wieder in sein bisheriges Zuhause oder an seinen bisherigen
»Lebensmittelpunkt« zurückgeschickt werden muß. Anders ausgedrückt: Der Zustand, der vor der Entführung bestanden hat, muß wiederhergestellt werden.
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Das Abkommen verhängt keine Strafen und versucht nicht, strittige Sorgerechtsansprüche zu klären. Vielmehr stellt es fest, daß das dringlichste Problem - und das wahre Delikt - die Entführung an sich ist. Nach der Übereinkunft müssen Auseinandersetzungen um das Sorgerecht vor einem Gericht in der Heimat des Kindes geführt werden. Ein elterlicher Entführer kann den Wohnsitz der Familie jetzt nicht mehr verlassen, um anderswo günstigere Bedingungen für seine Ansprüche zu suchen oder um eine Gerichtsverhandlung zu umgehen.
Die traditionellen Zufluchtsländer wie zum Beispiel die Vereinigten Staaten und Deutschland, die einst elterlichen Entführern in beiden Richtungen Asyl boten, bestehen als solche nicht mehr. Wäre das Abkommen in diesen Ländern schon 1989 in Kraft gewesen, hätte Craig DeMarr eine legale Alternative zur Rückentführung seiner Töchter gehabt.
»Wir schieben den Entführungen einen Riegel vor und bringen die Leute dahin, wohin sie gehören, nämlich vor Gericht«, sagte ein Beamter des amerikanischen Außenministeriums. »Wir verbieten niemandem, Kinder ins Ausland zu bringen. Wir verlangen lediglich, daß er sich zuerst mit dem Sorgerecht auseinandersetzt. Man kann nicht einfach wegrennen.«
Für amerikanische Eltern gelten die gleichen Maßstäbe wie für Eltern aus anderen Unterzeichnerstaaten. Dies belegt der Fall von Henry und Michele Tyszka. Er war Lehrer und US-Bürger, sie war Französin. Ihre beiden kleinen Kinder hatten relativ lange - vierzehn beziehungsweise neun Monate - in Frankreich gelebt und französische Schulen besucht. Im Sommer 1990 kaufte Henry Rückflugkarten für sich und die beiden Kinder, um Michigan zu besuchen. Michele fuhr sie zum Flughafen.
Doch am 4. September reichte Henry, statt wie geplant zurückzukehren, die Scheidung ein. Er rief seine Frau an 384
und teilte ihr mit, er werde die Kinder behalten. Daraufhin reichte Michele ihrerseits die Scheidung in Frankreich ein und berief sich vor einem Landgericht in Michigan auf das Haager Abkommen.
Im November, nur zwei Monate später, entschied der
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