02 - Das Weltenschiff
gelegt: lange Lichtröhren, leuchtende Spalten in den Wänden oder Kugeln, die aus der Decke stachen. Die Umgebung erinnerte sehr an das Innere einer großen Fabrik oder Industrieanlage, nur dass Bandicut bislang noch niemanden gesehen hatte, der einem Menschen auch nur annähernd ähnlich sah. Vielleicht machte das ja einen Teil der Vertrautheit aus; auf der Erde hatten Orte wie dieser stets den Eindruck erweckt, als sollten sie jedem, der sich unglücklicherweise darin verirrte, das letzte Quäntchen Menschlichkeit auspressen.
Die Lebewesen, denen sie begegneten, waren größtenteils flach, vielgliedrig und sahen so aus, als seien sie dazu geboren, Gabelstaplermodule zu fahren. Keines von ihnen sprach die Gefährten an; die Arbeiter schienen alle damit beschäftigt zu sein, Maschinen zu überwachen oder zu warten – ausschließlich Arbeiten, die nicht angenehm aussahen. Waren die Wesen tatsächlich nur zu beschäftigt oder spürten sie vielleicht irgendwie, dass sie die Eindringlinge nicht ansprechen sollten? Bandicut fragte sich, ob diese flachen Geschöpfe vielleicht dazu gezüchtet worden waren, Spaß an Arbeiten zu haben – oder sie zumindest erträglich zu finden –, die sonst niemand erledigen wollte.
Zudem fragte er sich, wie weit er und die anderen noch in die Tiefe würden vordringen müssen, um zur untersten Ebene von Schiffwelt zu gelangen. Erstellte sich vor, durch die verschiedenen Decks eines gesunkenen Schiffes hinabzusteigen, viele Kilometer unter der Oberfläche eines nachtschwarzen Ozeans; er malte sich aus, dass er und seine Gefährten sich immer mehr dem Unterdeck näherten, wo Schlamm und Wasser gegen den kalten Stahl des Schiffsrumpfes drückten, gegen Rumpfplatten, die sich jeden Moment nach innen wölben und aus der Wand platzen könnten. Ein starkes Schwindelgefühl überrollte ihn, als er sich vorstellte, wie eine Wand aus Meerwasser auf ihn zudonnerte, um ihn und alles zu zermalmen, was ihr in die Quere kam.
///Holla, John!
Das ist jetzt kein guter Zeitpunkt für eine Fugue!///
Das Quarx machte sich an etwas in seinem Bewusstsein zu schaffen, und er fuhr zusammen, als erwache er plötzlich aus einem Albtraum. Er sog tief den Atem ein, schaute sich vorsichtig um und zählte seine Freunde: Napoleon, Ik, Li-Jared, die drei Schattenleute, die sie führten … ja, sie waren noch alle da; und ja, sie waren in Sicherheit und nicht tief im Ozean. Keiner der anderen schien bemerkt zu haben, das er kurz davor gestanden hatte, in eine Fugue zu stürzen.
/Danke/, flüsterte er dem Quarx in seinen Gedanken zu.
///Du hast mir ganz schön Angst gemacht.///
Er atmete hörbar aus. /Ich hatte auch Angst./
Sie stiegen noch eine Ebene tiefer, die nur von kleinen, phosphoreszierenden Markierungen erhellt wurde. Obwohl Charlie Bandicuts Sehvermögen verbesserte, konnte Bandicut kaum etwas erkennen. Instinktiv drängte er sich näher an seine Freunde. Plötzlich bemerkte er, dass er nun anstatt Gabelstaplerfahrern weitere Schattenleute um sich sah. Sie tauchten zu beiden Seiten aus Taschen auf, die aus sogar noch tieferer, scheinbar endlos wirkender Finsternis zu bestehen schienen – vielleicht Türen, die eine räumliche Transformation bewirkten. Ein Schauder lief ihm über den Rücken, und er drängte sich noch dichter an seine Freunde.
Die Schattenleute, die sie hierher geleitet hatten, umschwirrten sie. Whringingg »… werden hindurchgehen … N-Raum-Kanal … bringen euch näher zu dem, dem ihr euch entgegenstellen müsst …«
Die Schattenleute brachten sie zu einem Rechteck, das beinahe wie eine Tür zu einem Frachtaufzug aussah … doch dann wurde diese Tür durchsichtig und gab den Blick frei auf die Finsternis, die hinter ihr begann, eine Finsternis, die mehr und mehr mit sanften, sich leise bewegenden Streifen aus purpurrotem Licht durchsetzt war. Einer der Schattenleute flitzte hinein; die anderen zwänkten und drängten ihre Gäste, ihnen in die Finsternis zu folgen.
Ik schritt als Erster durch das Tor und verschwand in einem Lichtstrahl. Li-Jared folgte ihm. Bandicut warf noch einmal einen Blick zurück auf die trostlose Umgebung; es fiel ihm nicht schwer, sie zu verlassen.
Er murmelte: »Danke für die Führung«, dann trat er mit Napoleon in die Finsternis.
Kurz flimmerte es vor ihm, dann spürte er, dass er durch eine fast völlige Dunkelheit fiel und plötzlich schwebte. Ein dünnes, silbriges Kraftfeld hatte sich um ihn gelegt – oder vielleicht ein Raumanzug. Seine
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