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02 - Die ungleichen Schwestern

02 - Die ungleichen Schwestern

Titel: 02 - Die ungleichen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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haben.«
    »Sehr
wohl«, antwortete Rainbird. »Ich werde Mrs. Middleton bitten, ihren Salon für
die französische Zofe herzurichten.«
    »Und
Sie werden Ihre Finger von dem Mädchen lassen«, sagte Palmer.
    »Es ist
nicht meine Art, mich an Frauen heranzumachen.«
    »Ach
nein? Sie, der Sie Lord Trumpingtons Haushalt verlassen mussten, weil Sie mit
seiner Frau geschlafen haben?«
    »Mein
Vergehen bestand nur` darin, dass ich mich habe erwischen lassen«, sagte Rainbird
steif.
    Er war
damals ein junger Lakai gewesen und von Lady Trumpington nach allen Regeln der
Kunst verführt worden, aber ihr Gatte hatte von Vergewaltigung gesprochen, und
Rainbird war froh, dass er mit einem schlechten Zeugnis davonkam. Doch der
Skandal hing ihm an, wohin er auch ging.
    »Es ist
mörderisch kalt. Wollen Sie mir denn keinen Tee anbieten?« fragte Palmer.
    »Alice
kommt sofort«, antwortete Rainbird und klingelte. Er war zwischen der Freude
über die Vorstellung, dass sie einen Mieter hatten, und der Sorge über Mrs.
Middletons Kummer, wenn sie erfuhr, dass sie ihren Salon hergeben musste, hin-
und hergerissen. Weil Palmer den Verdacht hegte, dass sie vor seinem Kommen
gewarnt worden waren, inspizierte er das Haus nicht - was ein wahrer
Segen war, denn das Eßzimmer der Diener und die Küche waren immer noch
verdächtig warm.
    Rainbird
war froh, als Palmer nach einer Stunde, in der er ihm Anweisungen erteilt
hatte, endlich ging. Es hatte ihm gar nicht gefallen, wie Palmers
Schweinsäuglein auf Alice' Busen geheftet waren, als diese sich herabgebeugt
hatte, um das Teetablett auf den niedrigen Tisch zu stellen.
    Zu
Rainbirds Erleichterung erklärte sich Mrs. Middleton mit stoischer Ruhe bereit,
ihren Salon als Schlafzimmer für die Zofe herzurichten. Was sie störe, sagte
sie, sei gar nicht so sehr, dass sie ihr Heiligtum hergeben müsse, sondern dass
die Harts ein französisches Mädchen eingestellt hätten. Wo sollte das
noch hinführen, wenn englische Diener nicht mehr gut genug seien? Diese
Ausländerin würde sie vermutlich alle im Schlaf umbringen, so wie Napoleons
Truppen im Ausland britische Männer mordeten. Die Franzosen seien halbe Wilde,
jedermann wisse das!
    Aber
Rainbird, der mit den Gepflogenheiten der großen Welt vertraut war, wies darauf
hin, dass die feinen Leute ihre Unterhaltungen immer noch mit schlechtem
Französisch spickten, die französische Mode sklavisch nachahmten, französische
Köche beschäftigten und überhaupt so taten, als ob ,jenseits des Ärmelkanals
nicht der Krieg tobte.
    Die
neuen Hausbewohner wollten Anfang März eintreffen und bis Ende Juni bleiben.
Eine Familie, die sich den Luxus einer französischen Zofe erlauben konnte,
würde sicherlich freigiebig und großzügig sein.
    Am
späten Nachmittag bat Lizzie um die Erlaubnis, ausgehen zu dürfen. Die
vorherige Mieterin, Miss Fiona, die jetzt spurlos verschwundene Countess of
Harrington, hatte Lizzie dringend geraten, rohes Gemüse zu essen und so oft wie
möglich an die frische Luft zu gehen, und Lizzie, erfreut, dass ihre
entstellenden Pusteln verschwunden waren, befolgte ihren Rat nach wie vor. Ihr
Handgelenk war verheilt, wenn ihr die Narbe auch bis ans Ende ihrer Tage
bleiben würde. Als sie in Richtung Green Park ging, wandten sich ihre Gedanken
wie üblich Joseph, dem Lakaien, zu. Lizzie wußte nicht, wie sehr sich der eitle
Lakai danach sehnte, sein wertvolles Taschentuch zurückzubekommen, es aber
nicht stehlen konnte, weil Lizzie es unter ihrem Kleid neben dem Herzen
aufbewahrte. Lizzie fragte sich, wie das französische Mädchen wohl sein werde.
Was, wenn Joseph sich in sie verliebte?
    Die
Sonne ging langsam unter, und die Bäume im Park warfen ihre langen schwarzen
Schatten über den Schnee. Lizzie blieb still stehen und dachte an Joseph, als
sich die sinkende Sonne rot färbte. Der Schnee brannte wie Feuer, eine
glorreich funkelnde Fläche von Rubinen, und wurde dann langsam grau, mit
bläulichen Schatten in den Vertiefungen.
    Lizzie
war aus dem Waisenhaus in die Clarges Street gekommen. Ihre Eltern waren
unmittelbar nach ihrer Geburt gestorben, und die Diener in der Clarges Street
waren zu ihrer Wahlfamilie geworden.
    Sie
verspürte einen Schauer, als der plötzlich wieder aufkommende Wind an den
skelettartigen Zweigen der Winterbäume rüttelte. Als sie sich umwandte, um
schnell nach Hause zu gehen, sah sie ein Bündel in der Nähe des Staubeckens
liegen. In der Hoffnung, dass jemand Feuerholz verloren hatte, trat sie näher -
und

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