02 - Die ungleichen Schwestern
feucht war. Mrs. Blewett verlangte es glücklicherweise
nicht nach Seeluft. Sie war im Gegenteil davor geflohen, da sie in Brighton
lebte und ihr Haus für eine viel größere Summe vermietet hatte, als sie an Mrs.
Hart zahlen musste.
»Sie
werden in Jane eine ausgesprochen angenehme Gesellschafterin finden«, sagte
Mrs. Hart, während sie, fieberhaft ausrechnete, was sie an Janes Kleidung
sparen könnte, was sie genau für Janes Dienste berechnen würde und dass damit
leicht die Ausgaben für das schmucke neue französische Mädchen wettgemacht
würden. Lady Doyle hatte gemeint, dass ein französisches Mädchen der letzte
Schrei sei.
Euphemia
sah besorgt aus. Sie hänselte und quälte Jane zwar immer, da sie jedoch keine
Freundinnen waren, fürchtete sie den Gedanken, in die Gesellschaft eingeführt
zu werden, ohne dabei von Gleichaltrigen umgeben zu sein. Davon abgesehen
lieferte Jane einen ausgezeichneten Hintergrund für ihre eigene Schönheit.
»Nein«,
ertönte es plötzlich von Mr. Harts Sitz am Feuer her. »Jane kommt mit uns.«
Sämtliche
Damen starrten ihn überrascht an. Mrs. Hart war so erstaunt, als hätte ihr
Perückenständer plötzlich eine Meinung von sich gegeben. »Mr. Hart«, sagte sie
und warf dabei Mrs. Blewett einen amüsierten und um Nachsicht bittenden Blick
zu, als ob sie sagen wollte >diese Männer<, »Jane wird es bei Mrs.
Blewett sehr gut gehen.«
Mr.
Hart erhob sich aus seinem Sessel. »Jane kommt mit«, stieß er hervor. »Und
damit Schluss.« Er schritt aus dem Zimmer.
Es
folgte eine lange peinliche Stille. Mrs. Hart unternahm große Anstrengungen, um
ihre Überraschung über das Durchsetzungsvermögen ihres sonst so schweigsamen
Gatten zu verbergen. Dann zuckte sie kaum merklich die Achseln, »So ist es nun
einmal, Mrs. Blewett. Mr. Hart liebt unsere jüngste Tochter sehr.«
Mr.
Hart hatte bisher an keinem der beiden Mädchen besonderes Interesse gezeigt.
Jane
gab einen leisen Seufzer der Erleichterung von sich. Nachdem sich Mrs. Blewett
verabschiedet hatte, lief Mrs. Hart ganz aufgeregt hinaus, um nachzufragen, was
ihren Mann dazu getrieben hatte, ausnahmsweise einmal eine Meinung zu äußern.
Euphemia und Jane blieben allein.
»Ich
bin froh, dass du mitkommst«, sagte Euphemia und umarmte ihre Schwester
spontan. »Ich habe doch ziemliche Angst vor allem, weißt du.« Euphemias Gesicht
wirkte beinahe komisch, so erstaunt war sie über sich selbst. Es war sonst gar
nicht ihre Art, bei gesellschaftlichen Anlässen auch nur im geringsten
ängstlich zu sein. Im Gegenteil - ihr keckes Auftreten bei ländlichen
Festen grenzte schon beinahe ans Anstößige.
»Vor
der Saison?« fragte Jane mit großen Augen. »Aber du brauchst doch keine Angst
zu haben, Euphemia. Die Herren werden bei deinem Anblick wie die Kegel
umfallen.«
So
liebevoll wie schon lange nicht mehr umarmte Euphemia ihre Schwester gleich
noch einmal. »Trotzdem«, sagte sie, »ich habe ja keine Erfahrungen mit der
großen Welt. Ich weiß, dass ich schön bin, aber ich habe keine Juwelen. Mama
ist ja so sparsam.«
»Was
das betrifft«, tröstete sie Jane, die eifrig die Gesellschaftsspalten in den
Zeitungen las, »es ist gar nicht angebracht, dass Debütantinnen aufwendigen
Schmuck tragen. Außerdem wirst du einen furchtbar reichen Mann heiraten und all
die Juwelen, die du dir wünschst, bekommen.«
»Du musst
alles, was in deiner Macht steht, tun, um mir zu helfen«, sagte Euphemia. »Ich
möchte nicht, dass die Männer uns nicht mögen, weil du so vorlaut bist. Und
Papa benimmt sich im Salon auch so linkisch.«
»Wir
haben Papa noch nie in großer Gesellschaft erlebt, aber bei der Marine ist er
mit vielen bedeutenden Leuten zusammengekommen, deshalb weiß er ohne Zweifel
besser als wir, wie man sich benimmt«, meinte Jane.
»Puh!
Hör auf so zu tun, als ob du alles wüsstest«, sagte Euphemia giftig, und ihr
verdrießlicher Blick minderte ihre Schönheit. »Außerdem wird Mama ihre Zeit
nicht damit verschwenden, dich auf Bälle und Gesellschaften mitzunehmen. Sie
hat gesagt, sie will kein Geld für deine Garderobe zum Fenster hinauswerfen.«
»Ich
finde es sehr ungerecht, ständig übergangen zu werden«, sagte Jane leise.
»Du
kannst nichts dafür, dass du so unansehnlich bist«, sagte Euphemia ungerührt.
»Mama hat neulich zu Papa gesagt, dass sie dich auf die hiesigen Gesellschaften
mitnehmen will, wenn ich unter der Haube bin. Man sagt, dass Squire Bascombe
nach einer jungen Braut Ausschau
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