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02 - Die ungleichen Schwestern

02 - Die ungleichen Schwestern

Titel: 02 - Die ungleichen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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entlohnen soll. >Quatsch<,
habe ich gesagt. Aber Rainbird erzählte mir, dass Lord Charteris, um nur ein
Beispiel zu nennen, seinen Dienern während der Saison immer mehr bezahlt, und
er deutete an, dass die Diener der Oberschicht klatschten und es bekannt werden
könnte ...«
    Ihre
Stimme verlor sich und sie schwieg, als sie merkte, dass ihr Euphemia gar nicht
zuhörte.

    Esstimmte, dass
Rainbird schnell gelernt hatte, wie er Mrs. Hart nehmen musste. Zuerst hatte
sie nämlich versucht, von MacGregor zu verlangen, mit möglichst wenig Geld
Feinschmeckermenüs zu bereiten, und Mrs. Middleton war in Tränen aufgelöst,
weil Mrs. Hart mit ihr über jeden Penny im Wirtschaftsbuch herumstritt.
Außerdem war Mrs. Hart in Zorn geraten, als sie erfuhr, dass Palmer von ihr
erwartete, dass sie die kürzlich erhöhte Dienstbotensteuer tragen solle -
der neue Satz betrug fünfzehn Shilling pro Jahr für männliche Diener; der
Steuersatz für weibliche Dienstboten blieb, ebenso wie für Pferde, etwa auf dem
alten Stand.
    Da
hatte Rainbird sich ins Zeug gelegt. Indem er sich die herablassendsten
Manieren der schlechtesten Butler, die er kennengelernt hatte, zu eigen machte,
ging er daran, Mrs. Hart auf ihren Platz zu verweisen. Es würde Gerede geben,
sagte er bestimmt, wenn die Leute erführen, dass die Kost und die Löhne des
Personals nicht denen eines Haushalts der ersten Kreise entsprächen. Und in
diesem Sinne machte er weiter, bis das Leben schließlich angenehmer für die
Diener ,wurde.
    Die
Diener wären auch wirklich zufrieden und glücklich gewesen, wäre da nicht
Felice, das französische Mädchen, gewesen. Lizzie beargwöhnte sie, als sei sie
irgendein fremdartiges Untier, wie etwa ein Orang-Utan. Dabei sah Felice
nicht im geringsten abschreckend aus und auch keineswegs auffallend fremdartig.
Sie war eine zierliche, etwa dreißigjährige Frau von sympathischem Äußeren.
Alles an ihr war voller Schwung. Ihre Augenbrauen waren geschwungen, ihr Mund
zeigte ständig ein angedeutetes Lächeln, und ihr dunkelbraunes Haar endete in
schwungvollen Wellen. Sie hatte runde Schultern und trug tief ausgeschnittene
Kleider. Ihre Taille war sehr schmal, und ihre Hände und Füße klein. Sie sagte
äußerst wenig und schien ständig beschäftigt zu sein. Zwar hatte Mrs. Hart
befohlen, die Mahlzeiten der Zofe in deren Zimmer zu servieren, doch Felice zog
es vor, mit den anderen Dienern zu essen. Dabei hatte man gar nicht den
Eindruck, als ob sie deren Gesellschaft besonders genoß, obwohl ihre schwarzen
Augen nichts preisgaben. Was den weiblichen Dienstboten so wenig gefiel, war
die Art, mit der sie jedem Gespräch bis in alle Einzelheiten folgte, während
sie ihren Kopf mit den glänzenden Haaren über eine Näharbeit gebeugt hielt, die
sie nur aus den Händen legte, um zu essen.
    Obwohl
weder Alice noch Jenny, noch Mrs. Middleton und nicht einmal Lizzie etwas
Besonderes an ihr entdecken konnten, unterwarf sich Joseph ihr vollständig, gab
ihr MacGregor die besten Fleischstücke und machte sogar Dave Botengänge für
sie. Rainbirds funkelnde, intelligente Augen wurden ganz weich, wenn sie auf
ihr ruhten. Sie ist wie eine Katze, dachte Lizzie, eine glatte, glänzende
Katze. Joseph versucht dauernd, ihre Aufmerksamkeit zu erregen, dachte sie
düster, und für mich hat er kein Wort übrig.
    Auch
wenn Lizzie Joseph recht gut kannte, hatte die Liebe sie dafür blind gemacht, dass
der Lakai Ränge und Klassen über alles stellte. Die einzigen weiblichen Diener,
die er als gleichrangig ansah, waren Gouvernanten und Zofen.
    Man
konnte Felice nicht dazu bringen, irgendeine Ansicht über den Krieg mit den
Franzosen zu äußern. Sie verriet, dass sie vorher bei einer Mrs. Swann, einer
Freundin von Lady Doyle, angestellt gewesen war. Aber sie sprach nie über ihre
Eltern, ihre Vorgeschichte oder wie sie von Frankreich herübergekommen war.
    Lizzie
entschied, dass das ärgerlichste an Felice war, dass sie sich immer heimlich
über irgendetwas zu amüsieren schien. Mrs. Hart war eine gestrenge Herrin, und
Felice hatte sehr wenig Freizeit; die wenigen freien Stunden verbrachte sie
nähend, aber sie beklagte sich nie, verlor nie die Nerven und sprach kaum
etwas. Am Abend vor der Gesellschaft setzten sich die völlig erschöpften Diener
zu einem späten Essen hin. Rainbird und Joseph hatten den ganzen Tag Möbel in
den Keller geschleppt, um möglichst viel Platz für die Gäste zu schaffen. Eine
Abendgesellschaft war eine eigenartige Angelegenheit.

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