02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
einer Serie von Einstellungen war ich dabei zu sehen, wie ich, vom Rückstoß pyrotechnischer Special-Effect-Fürze angetrieben, durch die Straßen von Didsbury stolziere. Ich glaube, es gab sogar eine Großaufnahme von meinem nadelgestreiften Hosenboden,der in einer Rauchwolke sternförmig platzte. Richard konnte sich wochenlang nicht darüber beruhigen. Er war der Meinung, dass die stilvolle und intelligente Graduierten-Comedy, mit der wir bekannt werden sollten, wie er hoffte, und auf der er unsere Karrieren aufbauen wollte, schon in den Kinderschuhen von einem unflätigen Cockney-Rotzbengel mit einem Abwassersiel unter der Schädeldecke ruiniert würde. Davon wollte er nichts wissen. Wer weiß, was für murrende Machenschaften hinter den Kulissen stattfanden. Mag sein, dass Richard sogar versucht hat, uns aus dem Vertrag zu lösen. Steve Morrison, der ausführende Produzent, und Sandy Ross standen zu Ben, angesichts seines unbändigen und fruchtbaren Talents völlig zu Recht. Sie waren sich nichtsdestoweniger bewusst, dass
There’s Nothing to Worry About
seine Mängel hatte, und ihre Lösung bestand darin, ein neues Ensemblemitglied aufzunehmen. Paul Shearer verließ die Show, ohne dass er sich etwas hatte zuschulden kommen lassen. Als jemand, der sogar noch weniger Material schrieb als Hugh und ich, hielt man ihn vermutlich für verzichtbar. Pauls Platz wurde von einem Absolventen der Glasgow Art School eingenommen, der Anthony McMillan hieß, seinen Namen aber gerade in Robbie Coltrane geändert hatte.
Massig, laut und urkomisch vereinte Robbie Stil und Auftreten eines Busfahrers aus Brooklyn, eines Rock’n’-Rollers aus den Fünfzigern, eines Automechanikers und eines Gangsters aus den Gorbals. Irgendwie fügte sich all das auf perfekte Weise zu einem einheitlichen Charakterbild zusammen. Er machte mir höllisch Angst, und dagegen konnte ich mich nur wappnen, indem ich vorgab, ihn schrecklich attraktiv zu finden, meine Beine an ihm rieb und vor Entzücken stöhnte.
»Du frecher, kleiner Fucker«, sagte er und ließ es geschehen.
Robbie hat inzwischen in einem Interview gesagt, dass er Hugh und mich als arrogante, auf abstoßende Weise überhebliche Angehörige des Establishments erlebt hatte, die über ihre vornehme Nase hinweg auf seinen grobschlächtigen und vulgären Auftritt hinabsahen wie reinrassige Rennpferde, deren sensible Flanken zu zittern beginnen, wenn ein ungebetener Esel zu ihnen in den Stall gestellt wird. Ich zitiere ihn nicht wörtlich, aber es ist sicher der Kern dessen, was er gesagt hatte. Ob er es sich ausgedacht hat, um ein langweiliges Interview aufzupeppen, oder ob er sich wirklich daran erinnert und es glaubt, kann ich nicht sagen. Wenn wir uns heutzutage begegnen, was nur selten geschieht, gehen wir stets freundschaftlich, ja sogar voller Zuneigung miteinander um, aber ich habe auch nie gewagt, das Thema jenes Interviews anzusprechen. Das bringt uns zu dem ewigen und vielleicht öden Problem von Affekt und Anschein, der Frage, welchen äußeren Eindruck wir im Gegensatz zu dem, was uns im Inneren bewegt, auf andere machen. Wir nehmen unsere Mitmenschen wahr, als seien sie mit großen Knüppeln bewaffnet, während wir hinterm Rücken nichts mehr als einen armseligen Wattebausch versteckt halten. Ich weiß, wie qualvoll Hugh und ich unter dem Gefühl der Unzulänglichkeit litten und wie peinlich uns die verdammenswerte Zeit an der Public School und in Cambridge war. Ich weiß aber auch, dass wir zu stolz waren und zu wohlerzogen – zumindest ich war es –, um umherzuschleichen wie geprügelte Hunde, die nach Streicheleinheiten und Mitleid winseln. Mit viel Wohlwollen lässt sich die Möglichkeit konstruieren, dass wir unser Gefühl der Hoffnungslosigkeit so gut verbargen,dass Robbie reinen Gewissens behaupten konnte, wir seien als blasierte und dünkelhafte Hohlköpfe dahergekommen, aber ich halte das für unwahrscheinlich. Ehrlich. Vielleicht kam es Robbie zupass, sich als Kfz-Schrauber niederer Herkunft zu sehen, der über natürliche und hausgemachte Straßen-Chuzpe verfügt und in eine Welt aus blassem Snobismus und Etepetete-Privilegien der Mittelklasse gezwungen wird. Tatsächlich ist Robbie Sohn eines Arztes und hat das Glenalmond College besucht, vielleicht Schottlands elitärste private Lehranstalt und Thema des exzellenten Dokumentarfilms
Pride and Privilege
von 2008. Der 13. Duke of Argyll, die Marquess of Lothian, Prinz Georg Friedrich von Preußen und der 9. Earl
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