02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
natürlich nichts beweist. Jedenfalls stimmt es, dass Martyr’s Memorial in Oxford an die Verbrennung der drei Geistlichen Hugh Latimer, Nicholas Ridley und Thomas Cranmer in der Stadt Oxford erinnert. Es hat schon immer die Meinunggegeben, dass Oxford eine weltliche, politische Institution ist, dem Establishment zuzuordnen, mit Stärken in den Geisteswissenschaften und Geschichte, und dass Cambridge idealistischer ist, bilderstürmerisch und gesellschaftskritisch, dazu stark in Mathematik und den Naturwissenschaften. Unbestreitbar hat Oxford Großbritannien mit sechsundzwanzig Premierministern versorgt, während Cambridge nur fünfzehn hervorgebracht hat. Es ist zudem bezeichnend, dass Oxford während des englischen Bürgerkriegs Hauptquartier der Royalisten war, während Cambridge eine Hochburg der Parlamentarier war. Oliver Cromwell war Cambridge-Absolvent und stammte aus der Gegend. »Roundhead« Cambridge, »Cavalier« Oxford. Dieses Muster wiederholt sich in der Theologie – die traktarianische Oxford-Bewegung ist hochkirchlich und schon beinahe römisch-katholisch, während die theologischen Colleges Wescott House und Ridley Hall in Cambridge so »low church« orientiert sind, dass sie schon fast als evangelisch gelten könnten.
Dieselbe doktrinäre Unterscheidung lässt sich auch bei der Comedy erkennen, wie verrückt das klingen mag. Robert Hewison (ein Oxfordianer) zeigt in seinem ausgezeichneten Buch
Monty Python: The Case Against
auf, wie sehr die großartigen Pythons sich in die Fraktion Oxford und Cambridge aufteilen lassen. Die hoch aufgeschossenen hageren Cantabrigians (Virginia Woolf hatte schon fünfzig Jahre zuvor bemerkt, dass Cambridge längere Individuen hervorbringe als Oxford) Cleese, Chapman und Idle standen für eiskalte Logik, Sarkasmus, Grausamkeit und Wortspielerei, während die Oxonians Jones und Palin wärmer, alberner und surrealer waren. Schlug Jones vor: »Lassen wir ein Dutzend Prinzessin-Margaret-Pantomimenüber einen Hügel rennen!«, konterte Cleese kalt: »Wieso?«
Die kreative Spannung besonders zwischen diesen beiden machte laut Hewison Herz und Seele dessen aus, was Python war. Diese Spannung lässt sich wohl auch in den Unterschieden zwischen Peter Cook und Jonathan Miller aus Cambridge und andererseits Dudley Moore und Alan Bennett aus Oxford erkennen. Es ist nicht schwer, den knuddeligen Dudley und die noch knuddeligeren Alan Bennett und Michael Palin sympathischer zu finden als ihre hochgewachsenen, reservierten und ziemlich furchteinflößenden Gegenspieler aus Cambridge. Und vielleicht setzt sich das bis in die späteren Inkarnationen fort – Rowan Atkinson und Richard Curtis aus Oxford sind kleiner und auf jeden Fall niedlicher als die hochmütigen und störrischen Stephen Fry und Hugh Laurie.
Es ist enorm viel Romantik in der Cavalier-Tradition zu entdecken und in der puritanischen absolut keine. Oscar Wilde war ein Oxford-Mann, und ich bin in hohem Maße vom Oxford der ästhetischen Bewegung angetan, von Matthew Arnolds Gedicht »Scholar Gypsy« und den Dreaming Spires. Aber die Anziehungskraft von Cambridge war immer stärker; Forsters Welt nahm mich irgendwann in meinen Teenagerjahren in Beschlag, und seither galt: Cambridge oder nirgendwo.
Das trägt vielleicht zur Erklärung bei, warum ich so besorgt war, dass man mir auf die Schliche kam. Mir war klar, dass Cambridge, das Mekka des Geistes, die intellektuell begabtesten Menschen der Welt in seinen Mauern beherbergte. Studenten der organischen Chemie, die bestimmt auch mit Horaz und Heidegger vertraut waren, und Altphilologen, die sich mit den Gesetzender Thermodynamik auskannten und Empsons Poesie schätzten. Ich war unwürdig.
Ich hätte in höchstem Maße größenwahnsinnig oder wahrhaft paranoid sein müssen, um diese Unsicherheiten nicht als das zu erkennen, was sie waren: eine Mischung aus der zu idealisierten Vorstellung von dem, was Cambridge war, und einer Unmenge schlimmster spätadoleszenter solipsistischer Angst. Ich hatte mich nie in eine Schule einfügen können, und jetzt sollte ich an einen Ort kommen, der beinahe ausdrücklich auf mich zugeschnitten war. Was, wenn sich herausstellte, dass ich mich auch dort nicht einfügen konnte? Was würde das über mich aussagen? Darüber nachzudenken war zu beängstigend.
Aber die ersten beiden Wochen an einer Universität sind so konzipiert oder haben sich im Laufe der Zeit dazu entwickelt, unter den Anfängern die Erkenntnis zu stärken, dass alle
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