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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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im Schlaf nicht die rechte Ruhe findet.
    Habe ich eine Weltanschauung verraten? Habe ich der Freiheit, der Uneinsichtigkeit und dem Outsidertum den Rücken gekehrt? Bin ich verbürgerlicht und habe Ausverkauf betrieben? Die meisten würden diese Fragen für absurd halten. Doch ich tue das nicht. Während sich die Nikotinsucht zu Recht als schmutzig, gefährlich, antisozial, ontologisch sinnlos und physisch schädlich charakterisieren ließe und man diejenigen, die sie in ihren Bann geschlagen hat, für unbesonnen, töricht, genusssüchtig, schwach und pervers halten könnte, fühle ich mich weiterhin von Rauchern angezogen und ärgere mich über diejenigen, die an ihnen herummäkeln und sie tyrannisieren.
    Vor vielen Jahren war ich auf einer Dinnerparty und saß in der Nähe von Tom Stoppard, der damals nicht nur zwischen den einzelnen Gängen rauchte, sondern sich eine ansteckte, kaum dass er den Mund leer hatte. Eine Amerikanerin gegenüber beobachtete ihn fassungslos.
    »Dabei sind Sie doch so intelligent!«
    »Wie bitte?«, sagte Tom.
    »Obwohl Sie wissen, dass diese Dinger Sie umbringen«, sagte sie, »machen Sie trotzdem weiter.«
    »Ich würde mich vielleicht ganz anders verhalten«, sagte Tom, »wenn als Alternative die Unsterblichkeit zur Wahl stünde.«
     
    Suchtmittel erscheinen als belanglos im Vergleich zu den großen Dingen im Leben: Arbeit, Glaube, Wissen, Hoffnung, Furcht und Liebe. Aber das Verlangen, das uns antreibt, unsere Empfänglichkeit, unser Widerstand, unsere Hinnahme und unsere Leugnung gegenüber den Suchtmitteln definieren und entlarven uns mindestens ebenso sehr wie abstrakte Glaubensbekenntnisse oder großmundige Aufzählungen von Taten und Errungenschaften.
    Vielleicht liegt es nur an mir. Vielleicht können andere Menschen ihr Verlangen besser kontrollieren und haben weniger Interesse. Mich scheinen mein Leben lang gieriges Bedürfnis und bedürftige Gier getrieben zu haben.

College to Colleague
     
     

Cambridge
     
    D en »Winter unseres Missvergnügens« nannten sie ihn. Streiks der Lastwagenfahrer, Automobilarbeiter, Krankenschwestern, Ambulanzfahrer, Eisenbahner, Müllarbeiter und Totengräber. Ich für meinen Teil war wohl niemals vergnügter.
    Nach all den Wirrnissen meiner stürmischen Teenagerjahre – Liebe, Schande, Diebstahl, Skandal, Schulverweis, Selbstmordversuch, Betrug, Haft und Urteil – schien ich endlich gefunden zu haben, was seelischem Gleichgewicht und Erfüllung nahekam.
Schien
. An einer kleinen Prep School als gelassene und selbstsichere Autoritätsperson seine Pfeife zu schmauchen war eine Sache. Aber jetzt war ich hier an einer riesigen Universität und begann ganz von vorne: als Anfänger, als Frischling, als ein Niemand.
    Es ist nur natürlich, wenn den Leuten allein schon die Idee von Oxford und Cambridge verachtenswert erscheint. Elitär, snobistisch, borniert, selbstgefällig, arrogant und abgehoben scheinen die althergebrachten Universitäten, als die sie sich voller Dünkel präsentieren, die belanglose, archaische, todgeweihte und schändliche Vergangenheit zu verkörpern, die abzuschütteln Großbritannien scheinbar so angestrengt bemüht ist. Und Oxbridge täuscht niemanden mit dem Geschwafel von »Meritokratie« und »höchstem Niveau«. Sollen wir uns von den vielen albernen Namen beeindruckt zeigen,die man sich dort gibt? Fellows und Stewards und Deans und Dons und Proctors und Praelectors. Und was die Studenten, oder
undergraduates,
betrifft, so mögen sie mir bitte gnädigst verzeihen …
    Viele Menschen, und ich denke, zuallererst die jungen, sehen sich umzingelt von Überheblichkeit und Selbstdarstellung. Sie werden in jeder Geste den Hang zur Attitüde und zum Posieren entdecken. Müssten sie zur Semesterzeit die Trinity Street in Cambridge entlanggehen, würden ihnen jugendliche Männer und Frauen begegnen, die leicht als manierierte Poseure oder selbstgefällige Deppen zu charakterisieren wären. Ach, sie halten sich ja für so intellektuell; ach, sie finden sich ja so
Wiedersehen mit Brideshead
; ach, sie sehen sich ja so als die Crème de la Crème. Seht nur, wie sie übers Kopfsteinpflaster radeln, die Arme über der Brust gekreuzt, zu cool, um die Hände am Lenker zu lassen. Seht nur, wie sie einhergehen, den Kopf in ein Buch gesenkt. Seht nur, wie sie sich den Schal mit einer schnellen Drehung des Handgelenks um den Hals werfen. Als müssten wir schwer beeindruckt sein. Hört nur das gedehnte Näseln ihrer Public-School-Stimmen.

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