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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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abgenommen hat, das war bemerkenswert.
Wer
war denn das?«
    »Aber das war doch Olivier!«, sagte meine Mutter. »Hast du das nicht gemerkt?«
    Ich sehe ihn noch exakt vor mir, wie er auf der Bühne stand. Ich entsinne mich seiner Kopfhaltung und der außerordentlichen Fähigkeit, alle Blicke auf einen seiner Finger nach dem anderen zu lenken, als er mit quälender Bedachtsamkeit die Handschuhe auszog. In der letzten Szene des Stücks hatte er nur einen kurzen komischen Auftritt als staubtrockener Anwalt, aber es war erstaunlich. Schamlos exhibitionistisch natürlich. Himmelweit entfernt von den ehrlich bemühten und wackeren Anstrengungen Tausender hart arbeitender Schauspieler, die in Theatern und Studios landauf, landab nach den psychologischen und emotionalen Wahrheiten ihrer Rollen schürften, aber verdammt, es war ein Spaß. Zumindest war ich froh, dass ich so begeistert reagierte, obwohl ich nicht einmal wusste, wer dieser Schauspieler war.
    Obwohl ich die Schauspielkunst und die Idee der Schauspielerei liebte, hegte ich keine Theorie über das Theater als Kraft gesellschaftlichen oder politischen Wandels und besaß auch nicht den Ehrgeiz, es zur Stätte meiner beruflichen Laufbahn zu machen. Ich hatte Vertrauen in mein schauspielerisches Talent, war aber absolut nicht von dem speziellen Gefühl getrieben, mich auf komische Rollen zu konzentrieren. Ganz im Gegenteil. Theater bedeutete für mich in allererster Linie Shakespeare, und die komischen Rollen in seinem Gesamtwerk – Hofnarren, Spaßmacher, Clowns und Handwerker – lagen mir überhaupt nicht. Ich war eher ein Theseus oder Oberon als ein Bottom, der Weber, oder Quince, der Zimmermann, eher ein Duke oder Jaques als ein Touchstone. Aber zuerst musste ich mich ohnehin entscheiden, ob ich es überhaupt wagen sollte, mich zur eventuellen Berücksichtigung anzubieten.
    In Cambridge gab es Aberdutzende von Theatervereinen. Jedes College hatte seinen eigenen Drama Club, und dann gab es weitere, die der gesamten Universität offenstanden. Die wichtigsten wie die Marlowe Society, der Footlights und der Amateur Dramatic Club konnten auf eine lange Geschichte zurückblicken: Die Marlowe Society war hundert Jahre zuvor von Justin Brooke und Dadie Rylands gegründet worden; der ADC und Footlights waren sogar noch älter. Andere waren jünger – die Mummers waren von Alistair Cooke und Michael Redgrave in den frühen Dreißigern gegründet worden und sahen sich als Hort einer eher progressiven und avantgardistischen Identität.
    In Cambridge werden Ihnen viele sagen, dass sich in der Theaterwelt ehrgeizige, wichtigtuerische und gehässige Möchtegerne tummeln und die dort herrschende Atmosphäre der Verleumdung, Eifersucht und Karriereleiter-Rivalität unerträglich sei und keine Luft zum Atmen lasse. Die Leute, die dergleichen sagen, sind aus demselben Holz geschnitzt wie diejenigen, die dieser Tage zu Internetsurfern aufwachsen und sich darauf spezialisieren, barbarische, bösartige, beleidigende anonyme Alle-mal-hersehen-und-herhören-Kommentare auf YouTube, den »Have Your Say«-Seiten der BBC sowie anderen Websites und Blogs zu posten, die sich nicht entblöden, ihnen Raum für derartige Giftspritzerei zu gewähren. Diese Schweinebande konzentriert sich darauf, die Beweggründe derjenigen anzuzweifeln, die couragiert genug sind, das Risiko einzugehen, sich in aller Öffentlichkeit zum Narren zu machen, und sie ist die reine Pest. »Ach, wenn man Schauspieler werden will, ist ein dickes Fell unbedingt nötig. Daran sollten sich Schauspieler und Theaterleute gewöhnen.« Nun,wenn man einen Beruf ergreifen will, in dem es darum geht, Zugang zu Emotionen zu finden sowie Geist und Seele des Menschen zu ergründen, wäre es meiner Meinung nach eher notwendig,
dünnhäutig
zu sein. Sensibel. Aber ich schweife ab.
    Als ich mein erstes Trimester begann, hielt ich es für angebracht, mir zumindest einige Theateraufführungen anzuschauen und darüber klarzuwerden, ob ich von solchen Ansprüchen nicht völlig überfordert sein und mir deklassiert vorkommen würde. Es hatte wahrlich keinen Zweck, zum Vorsprechen zu gehen, wenn ich mir höchstens erhoffen konnte, einen Speer auf die Bühne zu tragen.
    Für diejenigen, die mit der Theaterwelt an britischen Universitäten nicht vertraut sind, sollte ich darauf hinweisen, dass dies alles nichts mit den Erwachsenen zu tun hatte – mit Dons, Dozenten, Amtsträgern oder den Universitätsinstituten und Fakultäten. Es war ebenso

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