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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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sich selbst leben kann, wenn man mit perfidem Witz, scharfsinniger Entlarvung und verächtlichem Urteil jemanden verletzt hat, wenn man verursacht hat, dass er/sie sich in den Schlaf weint. Oder, schlimmer noch, wie vermag man mit sich selbst zu leben, wenn man feststellt, dass man zu einem Menschen geworden ist, der sich nicht darum schert, dass er bei denen,die versuchen, in ihrem Metier den Lebensunterhalt zu verdienen, regelmäßig Schmerz verursacht, Leiden schürt, für Mutlosigkeit sorgt und die Selbstachtung untergräbt?
    Es ist zimperlich, es ist memmenhaft, und es ist wahrscheinlich ein Verrat an allem, was das Ethos der Literaturwissenschaft in Cambridge von Leavis bis Kermode beinhaltet, aber ich bin weit weniger an künstlerischen Normen, literarischen Werten, ästhetischer Authentizität und kritischer Lauterkeit interessiert als an den Gefühlen anderer. Oder an meinen eigenen Gefühlen, sollte ich vielleicht sagen, denn ich kann das Gefühl nicht ertragen, jemanden verletzt oder mir zum Feind gemacht zu haben. Es
ist
zimperlich, es
ist
memmenhaft, aber so ist es nun mal. Und aus dem Grunde war ich erleichtert, als Alan Coren den
Listener
übernahm und vorschlug, dass ich die Literaturkritik aufgab und stattdessen eine wöchentliche Kolumne zu einem allgemeinen Thema übernahm, das mich reizte. Von dem Tag an habe ich mich nur dann einverstanden erklärt, ein Buch, einen Film oder eine Fernsehsendung zu besprechen, wenn im Voraus eine Bedingung von dem Redakteur, der mich beauftragt, akzeptiert wurde: Die Besprechung wird wohlmeinend sein, oder wenn das Produkt so grässlich ist, dass nicht mal ich ein gutes Wort dazu sagen kann, wird es eben gar keinen Artikel geben. Was freundliche Kommentare betrifft, bin ich nicht ganz so penibel, wenn es sich um digitale Geräte handelt, um Smartfones oder Peripherieausstattung für Computer, zu denen ich mich manchmal äußere. Aber die sind gewöhnlich ja auch viel eher industrieller und weniger persönlicher Herkunft. Sollte es mir jedoch jemals zu Ohren kommen, dass die Designer einer Kamera oder die Autoren einer neuenSoftware in Tränen ausgebrochen sind, weil ich grausam über sie geschrieben habe, dann würde ich wahrscheinlich umgehend darauf verzichten, weitere Technofreak-Besprechungen abzusondern.
    In erster Linie aber weigere ich mich, je etwas Schlechtes über die Arbeit eines Freundes zu sagen. Meine literarische Integrität kann mir gestohlen bleiben, aber Freundschaft ist heilig. Da ich Ihnen das jetzt sage, können Sie natürlich – wenn Ihnen danach ist – all die Waschzettel und Klappentexte überprüfen, die ich für mir bekannte Autoren verfasst habe, und darüber spekulieren, ob ich »brillant, ergreifend, zwerchfellerschütternd lustig« geschrieben, aber eigentlich »gruselig, furchtbar, himmelschreiend inkompetent« gedacht habe. Das werden Sie nie erfahren.
    Eine von Alan Corens Lieblingsgeschichten aus dem akademischen Milieu zählte auch zu meinen Favoriten. Sie betrifft einen Don, hinter dem oft Sir Arthur Quiller-Couch vermutet wird, der große schnauzbärtige edwardianische Gelehrte und Altmeister der Belletristik, Autor von Abenteuergeschichten für Kinder und als »Q« verantwortlich für die große Ausgabe des
Oxford Book of English Verse.
Offenbar hieß er einen neuen Fellow im Senior Combination Room im Jesus willkommen, dem College in Cambridge, in dem er sich die letzten dreißig Jahre seines Lebens ausruhte.
    »Wir sind entzückt, Sie hier bei uns zu haben«, sagte er und legte dem jungen Mann den Arm um die Schulter, »aber gestatten Sie mir ein Wort des Rates. Versuchen Sie nie, geistreich zu sein. Das sind wir hier alle. Versuchen Sie nur, nett zu sein, ein wenig nett.«
    Wie die meisten Universitätsanekdoten wird auch diese den verschiedensten Personen zugeschrieben undhat wahrscheinlich keinen wahren Kern, aber wie die Italiener sagen,
se non è vero, è ben trovato
– selbst wenn es nicht wahr ist, ist es doch gut erfunden.
    Ich schrieb noch ein Jahr lang die wöchentliche Kolumne für den
Listener.
Die Schnupperdienste für den
Tatler
dauerten nur noch einige Monate, bevor Boxer und ich uns in gegenseitigem Einverständnis trennten: Die Wortspiele setzten meiner geistigen Gesundheit unerträglich zu. Aber ich blieb dabei, auf meiner Tastatur zu tippen und andere Publikationen zu bedienen, sooft ich darum gebeten wurde. Die Nachfrage nach mir schien fast grenzenlos zu sein, und solange ich nicht meine ganz

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