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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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neugierigen und erwartungsfrohen Welt seine An- oder Abwesenheit signalisieren kann. Bester Dinge und selbstvergessen schob ich den kleinen Holzblock hin und her und hätte es noch bis zum heutigen Tag getan, hätten mich nicht sich nähernde Schritte aufgeschreckt und veranlasst, hinauf in meine Zimmer zu eilen.
    Eingetroffen war ich an jenem Nachmittag mit einer Sammlung sorgfältig ausgewählter Bücher, einer Schreibmaschine, einem Grammophon, einem Stapel Schallplatten, einigen Postern und einer Shakespeare-Büste. All das war schon bald in den Räumen verteilt, und zwar so gefällig und kunstlos kunstvoll, wie ich es zu bewerkstelligen vermochte. Die Quartiere der Undergraduates bestehen aus einem Schlafzimmer, einem Hauptraum und der Küche, dem »gyp-room«. Gyp war der eher unglückliche Spitzname für einen »college servant«: Die ansprechendere Oxford-Variante ist »scout«, aber ich verspreche, dass ich nicht wieder zu Oxbridge-Details abschweifen werde. Ich weiß, wie sehr Sie das verärgern würde.
    Ich hatte mir vorgenommen, später loszugehen, um Kaffee, Milch und sonstige Grundnahrungsmittel einzukaufen. Im Augenblick war ich jedoch damit zufrieden, in Gesellschaft von ungefähr zwei Dutzend Einladungen dazusitzen, die ich sorgfältig auf meinem Schreibtisch ausgebreitet hatte. In den Zeiten vor E-Mails und Handys wurde mit Hilfe von kurzen Notizen kommuniziert, die man in persönlichen Ablagefächern hinterließ, die den Studenten in der Pförtnerloge zur Verfügung standen. Wenn jemand Kontakt aufnehmen wollte, war es für ihn viel einfacher, dort eine Nachricht zu hinterlassen, als sich ganz bis nach oben zu quälen und die Notiz unter der Tür hindurchzuschieben. Ich war im Lauf der letzten Stunde bereits dreimal in die Pförtnerloge hinuntergegangen, um nachzuschauen, ob noch weitere Einladungen gekommen waren. Die Ablagefächer waren entsprechend dem Undergraduate-Jahrgang angeordnet und farblich gekennzeichnet. So konnte ein Club oder eine Gesellschaft Handzettel für die Erstjahrgängeen masse austeilen, eine Art gezieltes Spamming. Daher auch die Menge Papier auf meinem Schreibtisch. Die Einladungen zu Squashes, die von Sportvereinigungen und politischen oder religiösen Gesellschaften kamen, hatte ich sofort weggeworfen, aber Einladungen von Theater- oder Literaturgesellschaften, von Magazinen und Journalen hatte ich geordnet. Und was war mit der Cambridge University Gay Society? Da war ich unentschlossen. Mir gefiel die Idee, meine rosarote Fahne am Mast zu hissen, war aber misstrauisch gegenüber irgendwelchen Kampagnen oder schrillen Protestaktionen. In jenen Tagen war ich höchst konservativ oder zumindest politisch aktiv inaktiv. Im Jargon der Zeit: Mein Bewusstsein war noch nicht geweckt.
    Einladungen zu Sherry-Partys, die vom Senior Tutor des College gegeben werden, vom Dean of Chapel und einer völlig anderen Person, die ebenfalls von sich behauptet, den Titel Dean zu tragen, durften keinesfalls abgelehnt werden, wie man mich instruierte. Ebenfalls von höchster Wichtigkeit war eine Zusammenkunft in den Räumen von A. C. Spearing, dem Senior English Fellow des College, der anscheinend mein Director of Studies werden sollte. Die beeindruckendste und formellste Einladung, auf Karton, mit Goldprägung und Wappenschild, war diejenige, die mich zum Queens’ College Matriculation Dinner bat, einer formellen Veranstaltung, bei der sämtliche Studienanfänger offiziell empfangen und zu Mitgliedern des College erklärt wurden.
    Ich begab mich also auf die Runde der Partys und Einführungsveranstaltungen. In den Räumen von A. C. Spearing lernte ich meine Kommilitonen kennen, die ebenfalls englische Literaturwissenschaft studierenwollten. In der ersten Woche blieben wir beisammen, besuchten gemeinsam die diversen Squashes und Einführungsvorlesungen, tauschten Klatschgeschichten aus und taxierten einander akademisch, intellektuell, gesellschaftlich und in ein, zwei Fällen, vermute ich, auch sexuell. Wir waren die typischen Vertreter unserer Generation. Wir kannten T. S. Eliot auswendig, aber konnten nicht mal mit vereinter Kraft eine Zeile von Spenser oder Dryden zitieren. Mit Ausnahme eines Mitglieds unserer Gruppe müssen wir auf einen außenstehenden Beobachter wie die schlimmste Zusammenrottung vertrimmenswert großspuriger und unnahbarer Arschlöcher gewirkt haben, die sich je an einem Ort versammelt haben. Die Ausnahme war ein Bursche in Bondagehosen, mit Lederjacke und hennaroten

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