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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Haaren. Er hieß Dave Huggins und sah aus wie einer von den Punkrockern, vor denen man auf der King’s Road von Chelsea auf die andere Straßenseite ausweichen würde. Obwohl er bei weitem der freundlichste und zugänglichste Student in unserer Gruppe war, jagte er mir Höllenangst ein, und ich glaube, so ging es auch allen anderen. Etwas an meiner dröhnenden Stimme und meinem scheinbar selbstsicheren Auftreten schien ihm zu gefallen oder zumindest zu amüsieren, und daher adelte er mich mit dem Beinamen »King«.
    Mochte er auch furchteinflößend aussehen wie ein Rowdy, hatte Dave doch Radley besucht, eine der smarteren Public Schools: Tatsächlich waren von uns Anfängern in englischer Literaturwissenschaft fast alle auf Privatschulen gewesen. Unsicher und in nervöser Furcht, den akademischen Anforderungen nicht gewachsen zu sein, wie wir waren, kann ich mir gar nicht vorstellen, auf wie alarmierende und befremdliche Weisewir denjenigen vertraut vorgekommen sein müssen, die von staatlichen Schulen kamen, jenem Kader junger Mädchen und Männer, die noch nie von zu Hause fortgewesen und nie zuvor auf eine so geballte Menge Public-School-Absolventen getroffen waren. Ein paar Monate später erzählte mir ein Student, der eine Comprehensive School in South-East London besucht hatte, dass er wochenlang nicht gewusst habe, was »say gid« bedeutete. Immerfort hörte er: »Say gid! That’s jarst say gid!« Schließlich kapierte er, dass die Angehörigen der oberen Mittelklasse den Kommentar »So good, that’s just so good« auf diese Weise aussprachen. Drei Prozent der Bevölkerung genossen in jenen Tagen Privatschulbildung, und da war er – einer aus der Mehrheit von 97 Prozent, aber irgendwie kam er sich vor wie ein Schornsteinfeger, der sich als ungeladener Gast auf einem Hunt Ball wiederfindet. Unabhängig davon, wie sehr sich Cambridge als rein akademische Institution mit ausschließlich akademischen Aufnahmekriterien präsentiert haben mag, war es der Akzent der Public-School-Absolventen, der an dieser Universität dominierte. Es bedurfte eines gefestigten Selbstwertgefühls und großer Charakterstärke, in einer solchen Umgebung nicht zornig zu reagieren oder sich fehl am Platz zu fühlen.
    Ich hatte keine Ahnung, was für eine Figur ich abgeben mochte. Na ja, so ganz stimmt das nicht. Ich fürchte, mir war nur allzu klar, was für eine Figur ich abgab. Meine typische Kleidung bestand aus einem Harris-Tweedjackett mit Lederknöpfen, einem Viyella-Oberhemd und einem Strickbinder, einem Lambswool-Pullover mit V-Ausschnitt, Cordhosen in Lovat Green und auf Hochglanz polierten braunen Half Brogues. Mit meiner unverkennbaren Haartolle und der Pfeife zwischenden Zähnen sah ich genau aus wie derjenige, der ich im vergangenen Jahr gewesen war: ein Assistenzlehrer an einer kleinen Prep School auf dem Lande, vielleicht ein ganz klein wenig mit dem Flair eines Hinterzimmerwissenschaftlers aus den Tagen des 2. Weltkriegs. Welchen Eindruck ich auch immer vermittelte, ganz gewiss war es nicht derjenige eines hippen jungen Rockers zuzeiten von The Clash und The Damned.

Chess, Classics, Classical Composers,
Curiosity and Cheating – Klasse, Klassiker,
klassische Komponisten, Neugier und Betrug
     
    Es stellte sich heraus, dass Queens’ tatsächlich zwei Deans hatte, einen Dean of Chapel und einen Dean, der für Disziplin verantwortlich war. Bei jeder der Sherry-Partys, die in der ersten Woche von den Deans veranstaltet wurden, kam ich mit Kim Harris ins Gespräch, der ebenfalls ein Erstsemester war. Sein attraktives Aussehen erinnerte mich an den jungen Richard Burton, und seine beeindruckende Ausstrahlung verriet Strenge, Diskretion, Sinnenfreude und einen Hang zum Unerwarteten, eine Mischung, die mich natürlich faszinierte. Zum einen wirkte er im Gegensatz zu den anderen Frischlingen reifer und erwachsener, zum anderen erhob er geradezu schamlos hohe Ansprüche an Cambridge. Wie ich bald herausfand, hatte er Bolton School besucht, eine unabhängige Tagesschule, die eine oder zwei Generationen zuvor Ian McKellen auf Cambridge und eine dankbare Welt losgelassen hatte. Kim war im Queens’, um Altphilologie zu studieren. Er kleidete sich nicht viel anders als ich, trug aber Church’s Full Broguesund Pullover mit V-Ausschnitt aus reinstem und teuerstem Kaschmir. Er vermochte sogar Fliege zu tragen, ohne absurd auszusehen, was in der Tat als großartige menschliche Leistung gelten kann. Wir freundeten uns ohne

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