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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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dich nur zu bücken und es aufzuheben!« Wieso die Leute meinen, dass ihr Mangel an Kenntnissen über den Hundertjährigen Krieg oder Sokrates oder die Kolonialisierung von Batavia etwas mit der Schule zu tun hat, ist mir schleierhaft. Als jemand, der von einer Unmenge Bildungsanstalten relegiert worden ist und an keiner von ihnen richtig mitgearbeitet hat, weiß ich nur zu gut, dass meine Unwissenheit nicht der Fehler des Lehrerkollegiums war, sondern ganz allein mein eigener. Dann, eines Tages oder im Laufe der Zeit, wurde ich gierig. Gierig, Dinge kennenzulernen, gierig, sie zu verstehen, gierig nach Informationen. In gewissem Maße glich ich dem Roboter Nr. 5 im Film
Nummer 5 lebt!,
der immerzu durch die Gegend wieselt und »Input! Input!« kreischt. Ich lernte auswendig und prägte mir die Dinge so ein, wie ich mich endlos mit Sugar Puffs vollgestopft hatte.
    Ich sage nicht, dass diese Wissbegier moralisch, intellektuell oder stilistisch bewundernswert wäre. Ich glaube, es war ein wenig wie Ehrgeiz, ein wenig wie viele der späteren Fehlhandlungen in meinem Leben, zu denen wir noch kommen werden: die Mitgliedschaft in so vielen Clubs, der Besitz von so vielen Kreditkarten … es hatte mit dem Wunsch dazuzugehören zu tun, dem Drang, überall Anschluss zu finden. Ziemlich vulgär, ziemlich aufdringlich.
    Wenngleich die Methoden und Motive vielleicht nicht großartig gewesen sein mögen, so erwies sich das Endresultat auf jeden Fall als nützlich. Das entschiedene Verlangen, mir den Kopf vollzustopfen, meine unersättliche Neugier und mein Wissensdurst brachten allerlei Vorteile. Das mühelose Bestehen von Examina zähltedazu. Schriftliche Prüfungen unter Zeitdruck zu absolvieren habe ich niemals anders als unterhaltsam und leicht empfunden. Das liegt an meiner fundamentalen Unaufrichtigkeit. Ich habe nie versucht, mich ehrlich oder wahrhaftig mit einem intellektuellen Thema zu beschäftigen oder eine Frage zu beantworten. Ich habe nur versucht, möglichst viel Wind zu machen, und im Laufe meines Lebens sind mir nur wenige Menschen begegnet, die mir in dieser unwürdigen Kunst ebenbürtig waren. Es gibt viele, die nach außen aufschneiderischer sind als ich, aber das ist ja das Unheimliche an meiner speziellen Art von Exhibitionismus – ich hülle ihn in einen Mantel leutseliger Bescheidenheit und anrührender, wenn auch vorgetäuschter Bedachtsamkeit. Um nicht ganz so hart mit mir ins Gericht zu gehen – ich denke, diese Zurschaustellung von Leutseligkeit, Bescheidenheit und Zaghaftigkeit mag ja irgendwann heuchlerisch gewesen sein, ist aber inzwischen ziemlich echt – so wie die gewollte Gestaltung unserer Unterschrift, die wir als Teenager gewählt haben, im Lauf der Zeit aufhört, gekünstelt zu sein, und zur echten Signatur wird. Lange genug getragen, wird die Maske zum Gesicht.
    All das scheint herzlich wenig mit Erinnerungen an das Universitätsleben zu tun zu haben, die dieses Kapitel doch eigentlich bieten sollte. Im Leben eines Studenten, besonders dem eines ungewöhnlich selbstreflektierten Studenten in einer Institution wie Cambridge, kommt es häufig dazu, dass die Geisteskräfte und intellektuellen Fähigkeiten hinterfragt werden, ebenso Bedeutung und Zweck der Gelehrsamkeit, weswegen ich es für angebracht halte, zu versuchen auszuloten, was meinen Geist in jenen Tagen bewegte.
    Während der gesamten drei Jahre besuchte ich nur drei Vorlesungen. Ich kann mich zwar nur an zwei erinnern, aber ich bin sicher, dass ich noch eine weitere besucht habe. Die erste war ein Einführungsvortrag über Langlands
Piers Plowman
von J. A. W. Bennett, der seit 1963 als Nachfolger von C. S. Lewis den Lehrstuhl für Literatur des Mittelalters und der Renaissance innehatte und den Anschein erweckte, alt genug zu sein, um einen großen Teil der Zeitperiode miterlebt zu haben, die er zu seinem Fachgebiet erkoren hatte. Seine sterbenslangweilige Vorlesung diente der Erklärung, warum der B-Text von
Piers Plowman
(ein peinigend langes mittelenglisches allegorisches Werk in ungereimten alliterativen Versen) verlässlicher war als der C-Text. Oder vielleicht auch anders herum. Professor Bennett bat darum, dass man ihm gestatten möge, nicht mit W. W. Skeat übereinzustimmen, was die Darstellung von Christi Höllenfahrt im A-Text betraf, bla-bla-bla-bla …
    Das reichte mir. Ich wusste, dass mir fünf Minuten in der Bibliothek der Fakultät reichen würden, um einen obskuren Artikel aus der
Sewanee Review
oder einer

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