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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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spezifisch treffend zu sein schien. Ich hatte einen Teil dieser Theorie in einem Essay von Anne Barton (née Righter) gefunden. Sie ist eine kluge Shakespeare-Forscherin, von deren Ideen ich einige Filetstücke ausgeborgt und in Teil eins wie Teil zwei des Tripos nachgebetet habe (Cambridge nennt das Abschlussexamen Tripos, was wohl mit dem dreibeinigen Hocker zu tun hat, auf dem die Studenten bei der Prüfung zu sitzen pflegten). In beiden Examensarbeiten über Shakespeare bekam ich ein First Degree, und mit Teil zwei erreichte ich das beste First der gesamten Universität. Im Wesentlichen waren die Essays gleich. Es bedarf nur eines Einleitungsabsatzes, in dem die Fragestellung so hingedreht wird, dass der Essay sie beantwortet. Nehmen wir mal an, mein Aufsatz stellt die These auf, dass sogar Shakespeares »festive« Komödien damit spielten, Tragödien zu sein, während seine Tragödien etwas von Komödien haben. Der springende Punkt ist, dass maneinen solchen Ansatz aus dem Ärmel schütteln kann, egal wie die Frage lautet.
»Shakespeares wahre Stimme spricht aus seinen Komödien«: Diskussion. »King Lear ist der einzige sympathische Held Shakespeares«: Diskussion. »Shakespeare ist seinen Komödien entwachsen«: Diskussion. »Shakespeare hat sein Talent in seine Komödien gelegt und sein Genie in seine Tragödien«: Diskussion. »Tragödien sind Heranwachsende, Komödien sind Erwachsene.« »Shakespeare interessiert sich für das Geschlecht, nicht für Sex.«
Diskussion, Diskussion, Diskussion, Diskussion, Diskussion, Diskussion
.
Ich beteiligte mich natürlich nicht an so vulgären Angelegenheiten wie Diskussionen. Ich hatte stattdessen alles auf der Reihe, wenn ich den Prüfungsraum betrat, und ich rief ab, was verlangt wurde.
    Natürlich schadete es nicht, ein gutes Gedächtnis zu haben … ich hatte genug Zitate im Kopf, sowohl aus Shakespeares Werken als auch von Kritikern und Kennern, um meinen Aufsatz mit Verweisen und genauen Quellenangaben zu würzen. Mein Gedächtnis war so gruselig gut, dass ich stets in der Lage war, für jedes Zitat aus den Stücken Akt, Szene und Zeile genau anzugeben oder in Klammern die Quelle und das Datum jedes beliebigen Kommentars aus der Sekundärliteratur anzuführen, aus der ich zitierte (
Witwatersrand Review
, Vol. 3, Sept. 75, ed. Jablonski, Yale Books, 1968, so was in der Art). Mir ist durchaus bewusst, dass qua Geburt mit einem guten Gedächtnis beschenkt worden zu sein mehr wert ist als die Ausstattung mit fast allen anderen Fähigkeiten, aber selten ist das nicht. Es gibt im ganzen Land junge Männer und Frauen, die jeden, der es hören möchte, freudig (oder weniger erfreut) darüber aufklären, dass sie für Akademisches keinen Sinn habenoder nicht das Glück, mit einem besseren Gedächtnis gesegnet zu sein. Dennoch können sie Hunderte Texte von Popsongs rezitieren oder jede beliebige Informationsmenge über Fußballer, Autos und Prominente herunterbeten. Warum? Weil sie
Interesse
an diesen Dingen haben. Sie sind neugierig. Der Hungrige ist willens, allerorten nach Nahrung zu suchen. Wenn man Hunger auf Informationen hat, ist es nicht anders. Informationen sind überall, wir sind inzwischen mehr als je zuvor in der Menschheitsgeschichte von ihnen umgeben. Man braucht sich kaum zu rühren oder zu bemühen, um etwas herauszufinden. Wenn ein Mensch nicht viel weiß, dann nur deswegen, weil ihm nichts daran liegt. Er ist desinteressiert. Interesselosigkeit ist die merkwürdigste und allertörichtste Schwäche, die es gibt.
    Stellen Sie sich die Welt als eine Stadt vor, deren Gehwege dreißig Zentimeter hoch von Goldmünzen bedeckt sind. Man muss hindurchwaten, um voranzukommen. Ihr Klimpern und Scheppern ist allgegenwärtig. Stellen Sie sich vor, in einer solchen Stadt begegnen Sie einem Bettler.
    »Bitte geben Sie mir etwas. Ich habe keinen Penny.«
    »Aber sieh dich doch nur um«, würden Sie rufen. »Da liegt so viel Gold, dass es für dein ganzes Leben reichen würde. Du brauchst dich nur zu bücken und es aufzuheben!«
    Wenn sich Menschen beschweren, dass sie keine Literatur kennen, weil sie in der Schule so schlecht unterrichtet worden sind, oder dass sie von Geschichte nichts mitbekommen haben, weil auf dem Stundenplan entweder Geschichte oder Biologie zur Auswahl standen, oder wenn sie mit sonst einer lachhaften Ausrede aufwarten, dann fällt es schwer, nicht ebenso zu reagieren.»Aber es ist doch überall in Reichweite!«, möchte ich rufen. »Du brauchst

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