Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
ich während meiner drei Jahre dort an den Tag gelegt habe.
    Weiter flussaufwärts ist die Schönheit von The Backs im späten Frühling und Frühsommer so überwältigend, dass selbst der strengste Puritaner ins Schwelgen geraten und vor Entzücken erschauern würde. Das Sonnenlicht auf den Steinen der Brücke, die Trauerweiden, die sich tief hinunterbeugen, um das Wasser zu küssen: junge Männer und Frauen oder junge Männer und junge Männer oder junge Frauen und junge Frauen, die hinaufstaken nach Grantchester Meadows, Weißweinflaschenan Schnüren im Schlepptau, damit sie kühlen, aber »Keine Küsse im Stechkahn«. Unter Kastanienbäumen Examenskandidaten, die rauchen, trinken, schwatzen, flirten, küssen, lesen und ihr Wissen noch einmal auffrischen, Bücher und Aufzeichnungen um sich herum auf dem Gras ausgebreitet. Gartenfeste auf jedem Rasen jedes College während der ersten beiden Juniwochen, die absurderweise »May Week« genannt werden. Dining Clubs und Societies, Dons, Clubs und reiche Personen, die Punch servieren und Pimm’s, Bier und Sangria, Cocktails und Champagner. Blazer und Flanelljacketts, aufgesetzte kleine Snobismen und Affektiertheiten, blühende Jugend, verwöhnte Jugend, privilegierte Jugend, glückliche Jugend. Seien wir nicht so streng mit ihnen. Lösen wir uns von dem Gedanken, dass sie allesamt grässliche Überheblinge sind, die nicht wissen, wie wohlgeboren sie sind, unerträgliche Wichtigtuer, die einen Tritt brauchen könnten und einen Schlag an den Hals. Haben wir etwas Mitleid mit ihnen und Verständnis für sie. Den Tritt und den Schlag werden sie noch früh genug bekommen. Man muss sie sich doch nur jetzt ansehen. Sie sind alle in den Fünfzigern, manche von ihnen zum dritten, vierten oder fünften Mal verheiratet. Von ihren Kindern werden sie verachtet. Sie sind Alkoholiker oder trockene Alkoholiker, Drogensüchtige oder ehemals Drogensüchtige. Ihre runzligen, grauen, zerfurchten und eingefallenen Gesichter unter dem kahlen Schädel sehen ihnen jeden Morgen aus dem Spiegel entgegen, und das in Falten hängende sterbende Fleisch lässt nichts mehr von dem gutgelaunten, frohgemuten und offenen Lachen erahnen, das ihre Mienen einst strahlen ließ. Ihr Leben liegt in Trümmern, ist vergeudet. All die glänzenden Aussichten sind nie zu etwas gereift,auf das man mit Stolz oder Wohlgefallen zurückblicken könnte. Sie nahmen den Job in der City an, bei der Handelsbank, dem Börsenmakler, der Anwaltspraxis, der Buchhalterfirma, dem Chemieunternehmen, der Theater-Company, dem Buchverlag, dieser und jener Firma. Der Schwung und die Energie, die Leidenschaft, der Spaß und die Zuversicht wurden schon bald ausgeknipst, eins nach dem anderen. In der Tretmühle einer anstrengenden Welt verflüchtigten sich ihre törichten Hoffnungsträume wie Dunst im grausamen Licht der grellen Morgensonne. Manchmal kehren ihre Träume des Nachts wieder zurück, und sie sind so beschämt, zornig und enttäuscht, dass sie sich umbringen möchten. Es war einmal, dass sie lachten und verführten oder lachten und verführt wurden, damals auf den Rasen und unter uralten Steinen, und jetzt hassen sie die Jugend und ihre Musik, jetzt schnauben sie verächtlich über alles Fremde und Neue und japsen nach Luft, wenn sie oben auf der Treppe angekommen sind.
    Meine Güte, Stephen, was ist denn in dich gefahren? Nicht jedermanns Leben scheitert in Elend und Einsamkeit.
    Natürlich nicht, das weiß ich. Ihr habt ja recht. Aber in vielen Fällen ist es so. Entropie und Verfall im Alter sind grausam offenkundig, wenn man sie dem gefühlvollen Traum einer Cambridge May Week gegenüberstellt, wie abgedroschen, überholt, ungerechtfertigt und absurd ein solches Idyll auch sein mag. Es ist jene Szenerie, die klassische Maler so liebten: die goldenen Jünglinge und Maiden, die im Elysium tollen, Girlanden flattern lassen, trinken und einander umarmen, ohne etwas von der Grabstätte zu ahnen, auf der ein Totenschädel ruht, und ohne die gemeißelte Inschriftzu bemerken: »Et in arcadia ego.« Warum sollten sie es bemerken? Dessen Schatten wird früh genug auf sie fallen, und dann ist es an ihnen, ihren Kindern mit dem Finger zu drohen und zu sagen: »Ich habe auch einmal in Arkadien gelebt, musst du wissen …«, und ihre Kinder werden auch nicht zuhören.
    Viele Cantabrigians mögen das Vorangegangene gelesen und in keiner Zeile etwas wiedererkannt haben. Viele Studenten mieden voller Abscheu alles, was nach einem Blazer

Weitere Kostenlose Bücher