02 - Winnetou II
Waffen wieder an uns genommen hatten. Die beiden Parteien befanden sich noch in Unterhandlung. Old Death war bei der Behauptung geblieben, daß die Durchsuchung des Hauses eine Beleidigung für ihn und den Haziendero sei. Als ich ihm kurz mitteilte, daß der Apache in Sicherheit sei, gab er langsam nach und erklärte endlich, daß es fünf Comanchen erlaubt sein solle, sich zu überzeugen, daß der Apache sich nicht hier befinde.
„Warum nur fünf?“ fragte der Anführer. „Ist nicht einer von uns wie der andere? Was einer tut, sollen alle tun. Old Death kann uns Vertrauen schenken. Wir werden nichts berühren. Keiner von uns wird etwas stehlen.“
„Gut! Ihr sollt sehen, daß wir großmütig sind. Ihr sollt alle in das Haus dürfen, damit sich jeder überzeugen kann, daß ich die Wahrheit gesagt habe. Aber ich verlange, daß ihr vorher alle eure Waffen ablegt, und daß wir den, welcher eine Person oder eine Sache ohne unsere Erlaubnis anrührt, hier behalten dürfen, um ihn zu bestrafen.“
Die Roten berieten sich über diese Forderung und gestanden sie uns dann zu. Sie legten ihre Bogen, Köcher und Messer ab und stiegen dann hintereinander ein. Schon ehe ich mit Petro fortgegangen war, hatten die Vaqueros draußen auf der Ebene gehalten, gut beritten und bewaffnet, die Blicke zu uns herauf gerichtet. Sie hatten auf ein Zeichen ihres Herrn gewartet und sich nur deshalb ruhig verhalten, weil dieses nicht gegeben wurde.
Von uns vierzehn Männern waren der Haziendero und Old Death bestimmt, den Comanchen alle Räume zu öffnen. Zwei blieben auf der Plattform zurück, und je fünf kamen in die beiden Korridore zu stehen, um mit den Waffen in den Händen jeder etwaigen Ausschreitung der Roten sofort entgegen zu treten. Ich stand mit im untern Korridor und stellte mich an die Türe der Stube, in welcher der Apache gelegen hatte. Die Comanchen kamen stracks herab und auf diese Tür zu. Old Death öffnete dieselbe. Es war den Indianern anzusehen, daß sie überzeugt waren, den ‚Guten Mann‘ da zu sehen. Anstatt dessen aber sahen sie die beiden Damen, welche lesend in ihren Hängematten lagen.
„Uff!“ rief der Anführer enttäuscht. „Da sind die Squaws!“
„Ja“, lachte Old Death. „Und da soll der Häuptling der Apachen liegen, wie das Bleichgesicht gelogen hat. Tretet doch ein und sucht nach ihm!“
Der Blick des Anführers durchflog den Raum; dann antwortete er:
„Ein Krieger tritt nicht in das Wigwam der Frauen. Hier ist kein Apache. Mein Auge würde ihn erblicken.“
„So sucht in den andern Räumen!“
Über eine Stunde dauerte es, bevor die Indianer ihre Untersuchung beendet hatten. Als sie keine Spur des Gesuchten fanden, kehrten sie noch einmal zurück. Die Damen mußten die Stube verlassen, welche nun noch einmal auf das genaueste durchforscht wurde. Die Roten hoben sogar die Decken und Matratzen empor, welche direkt auf dem Boden lagen. Auch diesen letzteren untersuchten sie, ob es da vielleicht eine hohle Stelle gebe. Endlich waren sie überzeugt, daß der Gesuchte sich nicht auf der Estanzia befinde. Als der Anführer dies eingestand, sagte Old Death:
„Ich habe es euch gesagt, aber ihr glaubtet es nicht. Ihr habt einem Lügner mehr Vertrauen geschenkt als mir, der ich ein Freund der Comanchen bin. Wenn ich zu dem ‚Weißen Biber‘ komme, werde ich mich bei ihm beschweren.“
„Will mein weißer Bruder denn zu ihm? So kann er mit uns reiten.“
„Das ist nicht möglich. Mein Pferd ist ermüdet; ich kann erst morgen weiter reiten; die Krieger der Comanchen aber werden schon heut diese Gegend verlassen.“
„Nein. Wir bleiben hier. Die Sonne geht zur Ruhe, und wir reiten nicht des Nachts. Wir brechen bei der Ankunft des Tages auf, und da kann mein Bruder mit uns wandern.“
„Gut! Aber ich begleite euch nicht allein. Es sind noch vier Gefährten bei mir.“
„Auch sie werden dem ‚Weißen Biber‘ willkommen sein. Meine weißen Brüder mögen uns erlauben, in dieser Nacht in der Nähe dieses Hauses zu ruhen.“
„Dagegen habe ich nichts“, antwortete der Mexikaner. „Ich habe euch bereits gesagt, daß ich ein Freund aller roten Männer bin, wenn sie friedlich zu mir kommen. Um euch das zu beweisen, werde ich euch ein Rind schenken, welches geschlachtet werden soll. Ihr mögt euch ein Feuer anbrennen, um es zu braten.“
Dieses Versprechen machte einen sehr guten Eindruck auf die Comanchen. Sie waren jetzt wirklich überzeugt, uns unrecht getan zu haben, und zeigten
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