020 - A.S. der Unsichtbare
zunächst der Polizist, der den Toten zuerst gesehen hatte, dann Mr. Vetch, der Rechtsanwalt des Toten, der Parkwächter Madding, Merrivans Köchin und das hysterische Dienstmädchen, das wieder zu weinen begann und aus dem Gerichtssaal geführt werden mußte. Als letzter wurde Polizeiinspektor Dane aufgerufen. Die Verhandlung schien schon zu Ende zu sein, als der Coroner, ein nervöser, alter Herr, plötzlich noch einmal Dr. Macleod aufrief.
»Es muß noch die Sache mit der Frau geklärt werden, deren Stimme der Hausmeister hörte.«
Andy ging ruhig zum Zeugenstuhl.
»Ich habe hier einen Zeitungsbericht, der besagt, daß Sie um elf Uhr eine Frau Mr. Merrivans Haus verlassen sahen. Sie ging unter Ihrem Fenster am Gästehaus vorbei, scheinbar auf dem Weg nach Beverley. Im allgemeinen kümmere ich mich wenig um Zeitungsberichte, aber das hier ist ausdrücklich in einem Interview festgelegt, das Sie einem der Berichterstatter gewährten, und ich besinne mich nicht darauf, daß dieser Punkt während der Verhandlung erwähnt wurde.«
17
Es war neu für Andrew Macleod, vor einem Gericht zu stehen und mit vollem Bewußtsein einen Meineid zu leisten. Er konnte kaum glauben, daß er es selbst war, der so ruhig sprach.
»Ja«, sagte er, »es stimmt. Ich sah, wie sich die Tür von Merrivans Haus öffnete und kurz darauf eine Frau über den Rasen kam.«
»Wann war das?«
»Um elf Uhr. Die Kirchenuhr von Beverley schlug gerade, als sie vorüberging.«
»Haben Sie ihr Gesicht nicht erkennen können?« »Nein - der Mond war durch Wolken verdeckt.« Hiermit war die Verhandlung zu Ende, und die Geschworenen zogen sich zurück. Eine halbe Stunde später erschienen sie wieder, und ihr Spruch lautete auf Anklage gegen Albert Selim wegen vorsätzlichen Mordes.
Downer war nicht erschienen, Andy hatte sich vergeblich nach ihm umgesehen, der Journalist saß weder bei den Berichterstattern, noch war er unter den Zuschauern zu sehen.
Andy blieb noch einen Augenblick stehen, um sich mit Mr. Salter und einem Vertreter der Staatsanwaltschaft zu unterhalten, dann ging er zurück. Er ging so langsam, daß Mr. Vetch, der Rechtsanwalt Mr. Merrivans, ihn überholte.
»Es ist reiner Unsinn, daß Mr. Merrivan in den Klauen eines Geldverleihers gewesen sein soll«, erklärte er. »Ich weiß, daß er sehr vermögend war.«
»Hinterließ er ein Testament? Sie haben das in Ihrer Zeugenaussage leider nicht erwähnt«, entgegnete Andy.
»Bis jetzt hat man nichts finden können.« Mr. Vetch schüttelte den Kopf. »Das ganze Vermögen wird in den Besitz Mr. Wilmots übergehen, wenn sich kein näherer Verwandter meldet.«
Andy hätte zu gern erfahren, ob Merrivan wirklich verheiratet gewesen war. Man hatte die Trauungsregister durchsucht, aber man konnte keine Spur davon finden, daß er jemals eine Ehe geschlossen hatte.
»Sie haben Mr. Merrivan einen Kaufmann genannt. Welcher Art waren denn seine Geschäfte?«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Über seine geschäftlichen Angelegenheiten sprach er nie. Ich habe seine Vertretung auch erst übernommen, nachdem er sich schon zurückgezogen hatte. Ich glaube aber, daß er früher im Teehandel tätig war.« »Wie kommen Sie darauf?« fragte Andy schnell.
»Er kannte sich in Teesorten sehr gut aus. Das war wohl das einzige, wofür er sich in seinem Haushalt interessierte. Wenn ich ihn besuchte und mit ihm Tee trank, fragte er mich öfters, wie mir diese oder jene Sorte schmeckte. Er sprach darüber wie ein Weinkenner, der Sie nach Ihrer Meinung über einen alten Wein fragt.«
Sie waren in die Straße nach Beverley Green eingebogen, als sie einen Mann sahen, der in derselben Richtung wie sie ging.
»Ist das nicht der Zeitungsberichterstatter - ein gewisser Downer? Ich sah ihn heute morgen. Ein sehr kluger Kopf«, bemerkte Vetch. »Ich sprach mit ihm über das letzte Urteil des obersten Berufungsgerichtes. Er scheint in juristischen Dingen sehr beschlagen zu sein.«
»Er ist in allen Dingen beschlagen«, erwiderte Andy grimmig. »Hat er Sie nicht über Mr. Merrivans Privatangelegenheiten ausgefragt?«
»Er hätte keine Antwort bekommen. Dazu bin ich denn doch ein zu alter, ausgepichter Rechtsanwalt, um mit solchen Leuten über die Angelegenheiten meiner Klienten zu reden! Unser Thema war vollständig harmlos - wir sprachen davon, was heute ein Haushalt kostet.«
»Wie kamen Sie denn darauf?« fragte Andy neugierig.
»Er sagte, es müßte Merrivan doch viel Geld gekostet haben, das große
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