020 - A.S. der Unsichtbare
eine Hängematte und einen winzigen Garten, in dem im Herbst wild« Chrysanthemen wuchsen.
Wenigstens wurde ihm so erzählt. Er selbst kam nur im Sommer her, also wußte er es nicht. Er öffnete die Fenster und entzündete eine Gasflamme unter einem Wasserkessel. Die Zimmer waren einfach und behaglich möbliert. Zweimal in der Woche kam die Witwe eines Fischers und brachte die Wohnung in Ordnung.
Mr. Downer nahm Papiere aus seiner Tasche, unter denen sich auch Fahnenabzüge befanden. Er war gerade dabei, sein neues Buch zu vollenden. Einige theoretische Lösungen unaufgeklärter Kriminalfälle hatte er es genannt. Sein Verleger, der eine große Familie hatte und natürlich ängstlich darauf bedacht war, aus dem Buch Geld zu schlagen, hatte aber den Titel geändert in Enthüllung geheimnisvoller Morde.
Bei dem Manuskript lag ein Brief des Verlegers, den Downer am Morgen erhalten hatte.
Wenn Sie die Beverley-Morde in Ihrem Buch noch behandeln könnten, würde es einen ungeheuren Erfolg haben. Wir brauchen etwas Sensationelles, Zugkräftiges. Das Publikum würde eine Stellungnahme zu diesen Verbrechen geradezu verschlingen.
»Diese verdammten Beverley-Morde!« brummte Downer ärgerlich.
Aber wenn er auch ärgerlich davon sprach, konnte er doch nicht verhindern, daß sich sein Geist fortwährend mit diesem Verbrechen beschäftigte. Wenn er auf seinem geflochtenen Stuhl saß und auf das Meer schaute, wenn er an der Küste entlang ging und die Spitze seines Schirms bei jedem zweiten Schritt in den Boden bohrte, oder wenn er im Bett lag und auf den Spruch über der Tür starrte, den sein Vorgänger dort angebracht hatte, so durchbrach der Gedanke an die Morde in Beverley Green immer wieder alle anderen Betrachtungen.
Zwei Männer waren ermordet worden. Wahrscheinlich war Albert Selim der Täter, über den man so gut wie nichts wußte. Albert oder X - man konnte ihn nur als eine unbekannte Größe bezeichnen - konnte nicht gefunden werden, weil er praktisch nicht existierte. Downer hatte alle Gedanken an Stellas Schuld fahren lassen. Er erkannte, daß der Verdacht nur auf sie gefallen war, weil Andy sie beschützen wollte.
Und hier war er nun und dachte wieder über diesen verteufelten Fall nach. Er legte sich auf die andere Seite, um noch eine Stunde zu schlafen, obwohl die Sonne schon am Himmel stand und die Wand mit leuchtenden Streifen vergoldete, die größer oder kleiner wurden, wenn die Brise die Jalousien bewegte. Schließlich erhob er sich, ging in die Küche und machte sich daran, sein Frühstück vorzubereiten. Nachdem er ein Bad genommen hatte, brodelte das Wasser, und der Schinken war knusperig geworden.
Er betrat das Wohnzimmer und zog die Jalousien hoch.
»Großer Gott!« entfuhr es Downer.
Im Korbstuhl auf der Veranda saß ein Mann, der ihm dem Rücken zukehrte. Er war gut gekleidet. Der eine Schuh, den Downer sehen konnte, war von einer weißen Gamasche bedeckt, eine behandschuhte Hand lag auf dem goldenen Knopf eines Malakkastocks. Downer zog den Riegel zurück, schloß die Tür auf und ging hinaus. Er hatte ziemlich strenge Begriffe über Eigentum und über widerrechtliches Betreten fremden Grund und Bodens.
»Entschuldigen Sie«, sagte er in einem Ton, der keinen Zweifel darüber zuließ, wer sich zu entschuldigen hatte. »Sie haben sich wohl geirrt. .. aber das ist ja Mr. Salter!«
Salter erhob sich mit liebenswürdigem Lächeln und streckte ihm die Hand hin.
»Werden Sie mir diesen Überfall vergeben, Mr. Downer? Er ist unverzeihlich, ich weiß. Aber ich erinnere mich, daß Sie mir bei Ihrem Besuch in Beverley Hall erzählten, Sie hätten ein Häuschen in Sea Beach. Ich fürchte, ich ließ Sie damals lange warten, aber es war einer meiner schlechten Tage.« Erfolgte Downer ins Haus.
»Sie wissen nicht, wie ich mich freue, Sie zu sehen«, erwiderte der Journalist herzlich. »Ich muß mich nur wegen meiner Kleidung entschuldigen. Ich bin eben erst aufgestanden.«
»Aber ich bitte Sie!« Mr. Salter hob abwehrend die Hand. »Ich habe mich zu entschuldigen. Ihr grüner Pyjama harmoniert vollkommen mit diesem entzückenden kleinen Zimmer. Ich fürchtete, daß ich zu früh kommen würde, aber - es ist elf Uhr, und Sea Beach liegt nur eine Stunde von Beverley entfernt.«
Während sich Downer anzog, sah sich sein Gast im Raum um.
»Erst gestern dachte ich«, sagte Mr. Downer durch die halbgeöffnete Tür seines Schlafzimmers, »wie schade es sei, daß ich keinen Vorwand hatte, Sie noch einmal
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