020 - A.S. der Unsichtbare
Banknote aus der Brieftasche und legte sie auf den Tisch. Es war eine beträchtliche Summe.
»Sie werden Ausgaben haben. Bitte betrachten Sie das als eine Anzahlung.«
Mr. Downer stand auf seiner Veranda und beobachtete, wie sein Besucher den Wagen bestieg, der draußen auf ihn gewartet hatte. Dann ging er schmunzelnd in sein Zimmer zurück.
Ich werde sofort in die Stadt zurückfahren, dachte er und schaltete das Bügeleisen ein. Er bügelte sich seine Hosen immer selbst auf.
26
»Mit dem Handwerk mache ich Schluß!« sagte Scottie entschieden.
»Du bist doch nicht etwa plötzlich fromm geworden?« fragte Big Martin ängstlich.
Scottie saß auf seinem Bett in dem kleinen Haus in der Castle Street. Big Martin war derselbe, der damals nach oben geeilt war, als Andy an die Haustür geklopft hatte.
Er hieß Big Martin, weil er ungewöhnlich klein war. Es hatte eine Zeit gegeben, in der in ganz London kein geeigneterer Mann zu finden war, wenn es galt, durch ein unglaublich kleines Kellerfenster zu schlüpfen.
Aber später hatte er zu gut gelebt, immer mehr zugenommen und war nun durchaus nicht mehr in der Lage, seinen Spezialberuf irgendwie auszuüben.
Scottie war er schon in vielfacher Hinsicht nützlich gewesen. Er war ein unermüdlicher Zeitungsleser, wußte alles und ersetzte ihm ein ganzes Auskunftsbüro. Er hatte eine unglaubliche Fertigkeit, ein Haus auszukundschaften. Scottie hatte während seines abwechslungsreichen Daseins noch keinen Mann kennengelernt, der dazu geeigneter gewesen wäre.
Gewöhnlich erschien Big Martin als Hausierer an Küchentüren, unterhielt sich mit den Dienstboten und wußte ihnen so interessante Geschichten zu erzählen, daß er immer gern gesehen war. Auf diese Weise konnte er sich viele Informationen verschaffen, die für seine Auftraggeber wertvoll waren.
Scottie war über eine solche Tätigkeit erhaben. Sein Spezialgebiet waren Juwelen, denn um hier auf der Höhe zu sein, mußte man mehr Verstand und Erfahrung besitzen als Big Martin. Trotzdem war ihm der Kleine von großem Nutzen. Er hielt das Haus in der Castle Street während seiner Abwesenheit in Ordnung, erledigte kleine Aufträge, machte die Betten und konnte zur Not auch ein einfaches Essen kochen.
»Nein, fromm bin ich nicht geworden, aber vorsichtig«, brummte Scottie, hauchte seine Brillengläser an und wischte sie mit einem Bettuchzipfel ab. »Hast du schon einmal etwas von dem Wasserkrug und dem Brunnen gehört?«
»Nein«, sagte Big Martin argwöhnisch. »Was ist denn los?«
»Ich habe jetzt genug Geld gemacht, um ein anständiges Leben führen zu können.«
Big Martin legte die Stirn nachdenklich in Falten.
»Wenn du das Ding nicht drehen willst, macht es ein anderer. Sie fordert es ja direkt heraus, sie läuft herum wie ein geschmückter Christbaum.«
Es ist mein Schicksal, dachte Scottie. »Du brauchst mir nichts von ihr zu erzählen«, unterbrach er sein Nachrichtenbüro. »Ich habe sie bereits kennengelernt. Sie heißt Mrs. Crafton-Bonsor, ist aus Amerika und wohnt jetzt in Zimmer 907 im Great Metropolitan Hotel.«
»Eine Bank hätte nicht genug Geld, um ihre Perlen zu kaufen«, drängte Big Martin. »Sie sind so groß« - er zeigte die Größe mit Daumen und Zeigefinger. »Und Brillanten! So etwas hast du noch nie gesehen.«
»Ich weiß, aber sie hat sie im Hotel-Safe einschließen lassen«, meinte Scottie.
»Nein«, sagte Big Martin, »das hat sie nicht getan. Meine Kusine ist dort in der Küche beschäftigt, die weiß es. Sie schält dort nämlich Kartoffeln.«
»Wer? Mrs. Bonsor?«
»Nein, meine Kusine.«
Scottie war nachdenklich geworden. Er trommelte mit den Fingern einen Marsch auf seinen Knien und schaute abwesend ins Leere.
»Nein, ich glaube, es geht nicht, Martin«, sagte er schließlich. »Macleod würde doch gleich wissen, daß ich es war, und außerdem ...« Er vollendete den Satz nicht.
Big Martin hätte es doch nicht verstanden, wenn er ihm erzählt hätte, daß er es Stella Nelsons wegen nicht tun könnte. Es wäre nicht richtig gewesen zu sagen, daß Scottie sich gebessert hätte und ein ganz neuer Mensch geworden wäre oder daß er seine früheren Missetaten bereut hätte. Der einzige Beweggrund, sich zu ändern, lag in seiner persönlichen Sicherheit. Er hatte auch wirklich keinen Grund mehr, seine Haut weiter zu Markte zu tragen. Es ging ihm gut; die große Beute aus der Regent Street hatte er gut untergebracht - einer der Käufer war obendrein ein Zeuge, der ihm bei
Weitere Kostenlose Bücher