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0207 - Der Steinriese erwacht

0207 - Der Steinriese erwacht

Titel: 0207 - Der Steinriese erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Michael
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dem Grabe zwingen würde.
    Die längst Verstorbenen sollten den Mann, der ebenfalls an dem Haus interessiert war, in ihr finsteres Reich ziehen. Jedenfalls hatte der Puck aus den Gedanken des Menschen entnommen, daß er gewisse Vollmachten zum Kauf der umstrittenen Villa besaß.
    Unhörbar murmelte der Puck Beschwörungen.
    ***
    Carsten Möbius war von einer Art nie gekannter Abenteuerlust befallen worden. War er auch zu Tode er- schrocken gewesen, als der Boden unter seinen Füßen nachgab, nun fand er ein gewisses Maß an Gefallen bei dem Grauen, daß ihm über den Rücken floß, während er sich weiter auf dem uralten Friedhof umsah.
    Es war wie in dem Märchen von dem Burschen, der auszog das Gruseln zu erlernen. Und bei aller Ablehnung des Gespensterglaubens gelang ihm das erschreckend rasch.
    Ziellos ging er zwischen den Gräbern umher, zwang sich auch noch mehrere Male vor die Grabsteine, um die Inschriften zu entziffern. Nichts geschah. Alles blieb ruhig.
    Carsten Möbius ahnte nicht, daß irgendwo versteckt der Kobold unheilige Sprüche murmelte.
    Auch der zunehmende Bodennebel beunruhigte ihn nicht, denn er achtete nicht darauf, wo dieser Nebel herkam.
    Ein Nebel, dessen Ursprung nicht natürlich war.
    ***
    »Hier ist die Welt zu Ende«, sagte Nicole Duval. Und in der Tat, nach einigen hundert Schritten hörte das Dorf schlagartig auf, gab es keine Straßenlaternen mehr, war die Welt düster.
    »Und nun?« fragte Zamorra, der in Gedanken überlegte, ob es im teeverseuchten England auch noch eine Tasse trinkbaren Kaffees zu ergattern gab.
    »Sehen wir uns die andere Seite von Cerne Abbas an!« bestimmte Nicole resolut.
    »Aber… da liegt doch der Friedhof!« versuchte der Parapsychologe einzuwenden.
    »Na und?« kam es spitz. »Seit wann fürchtet sich der Meister des Übersinnlichen vor Gespenstern!«
    »Es ist… ich meine…« begann er zu stottern und setzte dann hinzu, »ich mag heute nicht arbeiten!«
    Nicole Duval ließ ein girrendes Lachen hören.
    ***
    Es war, als würde in der Tiefe der Gräber ein Sud gebraut. Und der Dampf der kochenden Flüssigkeit würde sich durch das Erdreich nach oben winden.
    Es war Carsten Möbius noch nicht aufgefallen, da er mehr Interesse auf die Inschriften der Leichensteine verwandte. Und er im gleichen Moment, als der Mond in seiner vollen Scheibe die Wolken durchbrach, auf ein fragmentarisches Bauwerk hingewiesen wurde.
    Der letzte Rest eines alten Kirchturmes.
    Der Mann aus Deutschland strengte sein Gedächtnis an. Denn er hatte die Angewohnheit, sich mit den Ländern zu befassen, die er bereiste.
    Ceme Abbas - die Abtei. Ja, hier hatte nach der alten Überlieferung die erste christliche Kirche auf britischem Boden gestanden.
    Eine ehrfürchtige Schauer nahm Carsten Möbius gefangen. Auf welch geschichtsträchtigem Boden er sich hier bewegte. Von hier aus hatte sich die Lehre des Kreuzes über die Insel ausgebreitet, war dann auf der grünen Insel, die man Irland nannte, verkündet worden.
    Und von dort kam ein Mönch, dem man später den Namen Bonifatius gab und der erst dann daran ging, die Germanen, seine eigenen Vorfahren, zu bekehren.
    Carsten Möbius war ganz in sich versunken bei dem Gedanken an die Ereignisse, die sich hier im Laufe der Jahrhunderte abgespielt haben mußten.
    Und so achtete er nicht auf die Bedrohung, die als rauchförmiger Brodem aus den Gräbern kroch.
    Unablässig murmelte der Puck in seinem sicheren Versteck die Worte, die ihm der Meister genannt hatte. Und die Nebel nahmen Konturen an. Menschenähnliche Gestalten schälten sich aus der unförmigen Substanz, die dem Boden entströmte.
    Die, deren Leiber längst verfallen waren, die wieder zu dem Staub geworden waren, aus dem sie einst gekommen waren, wurden unter der Gewalt der Worte, deren Sinn der Puck nicht erkannte, erneut dem Leben wiedergegeben.
    Hier zeigte sich ein blanker Totenschädel mit grinsendem Gebiß und hohlen Augen, aus denen das verständnislose Nichts sprach, dort schälte sich eine bleiche Knochenhand aus einem häßlchen gelben Leichentuch.
    Wäre Carsten Möbius nicht gerade jetzt auf den uralten Turm der alten Benediktinerabtei zugegangen, er hätte den Spuk sehen müssen. Und vielleicht, vielleicht würde ihm noch die Flucht gelingen, bevor die Geschöpfe des Todes sich gänzlich materialisiert hatten, bevor sich ihre häßliche Gestalt nicht vollendet hatte.
    Und während der hochgewachsene Mann mit dem traurigen Gesichtsausdruck an dem Turm ein Tor gefunden

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