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0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder

0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder

Titel: 0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kugeln pfeifen Todeslieder
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unbefragten Tradition folgend, einer romantischen Überlieferung, deren metaphysische Grundlagen längst verschollen und vergessen waren — die Minuten des Morgengrauens. Phils Gesicht war aschfahl, aber er hatte die Lippen aufeinandergepreßt und sagte kein einziges Wort mehr.
    Sie führten ihn zurück in den Verschlag, wo er die ganze Nacht zugebracht hatte. Und sie fesselten seine Beine wieder an die beiden Stahlträger, die zur Stützung der Dachbalken dienten. Dafür befreite man seine Arme und legte ihm eine Schachtel Zigaretten und ein Päckchen Streichhölzer zwischen die gespreizten Beine. Phil bediente sich. Als er die erste Zigarette anzündete, wurde ihm mit Schrecken bewußt, daß seine Hände leicht zitterten…
    Auf dem Boden zwischen seinen Beinen lagen vier ausgedrückte Zigarettenstummel, als es draußen zu tagen begann. Phils Gesichtsfarbe unterschied sich kaum von dem fahlen Grau, das am östlichen Himmel heraufzog. Sie banden ihm die Arme wieder auf dem Rücken zusammen, bevor sie seine Beine befreiten. Mit vier Mann hielten sie ihn, bis er aufgestanden war. Danach packten sie ihn zu zweit, je einer auf jeder Seite. Offenbar nahmen sie einen G-man ernster als andere Leute.
    Ihre Schritte hallten durch den kühlen Morgen. Von der Sonne war noch nichts zu sehen, aber der Himmel hatte sich schon bis hinauf zum Zenit grau gefärbt. Im Westen war es noch dunkel, knapp über dem Horizont standen sogar noch schwach glitzernd ein paar Sterne.
    Die Wracks der Autos waren so hoch getürmt, daß sie weit über ihre Köpfe hinausragten. Die Lampen auf dem ganzen großen Gelände branmen noch, aber ihr Schein wurde blasser gegen den aufziehenden Morgen.
    Wenn ich an etwas Persönliches denke, schoß es Phil durch den Kopf, werden meine Knie weich werden. Das gönne ich ihnen nicht. Den Triumph sollen sie nicht haben. — Mach’s gut, Jerry! Bye-bye, Mr. High. Lebt wohl, Jungs. Ich muß an irgendwas Unpersönliches denken. An eine Sache. An das FBI vielleicht. Ist doch ein großartiger Verein. Und es freut mich, daß ich zu ihm gehöre. Wenn ich wieder auf die Welt käme, würde ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um wieder ein G-man zu werden. Ich möchte wieder das Etui mit mir ’rumtragen dürfen mit dem gezackten Stern und der Waage der Gerechtigkeit über dem Wappen mit den Farben der Nation. Und mit dem ausgebreitet flatternden Spruchband darunter: Fidelity — Bravery — Integrity. Die Parole des FBI. Die Worte, auf die wir unseren Eid geschworen haben. Treue, Tapferkeit, Unbestechlichkeit… In Washington werden sie meinen Namen in die große Bronzeplatte eingravieren… Einer mehr… Bestimmt nicht der letzte… Es ist kühl heute morgen — fast kalt… Der Horizont im Osten bekommt einen goldenen Glanz, noch ganz zart, wie der Farbhauch auf dem Flügel eines Schmetterlings…
    Es ging schnell. Phil spürte plötzlich, daß es soweit war. Er fand sich an etwas Hartes angebunden, das in seinerh Rücken aufragte. Vor ihm die Gewehre.
    »Achtung!« schnitt eine Stimme durch die Stille. »Das Gewehr… leeegt an!«
    Phil holte Luft. Die kühle, frische Luft des beginnenden Tages. Am östlichen Horizont erschien der erste Glutstreif der aufgehenden Sonne. Und Phil hatte noch vier Sekunden zu leben.
    ***
    »Hallo, Ruskow«, sagte Mutherfield halblaut am Telefon. »Hier spricht Bill Mutherfield. Sie müssen sofort ’rüberkommen zu den Martens. Kathy braucht sie dringend. Gangster waren hier. Sie haben Hillery umgelegt. Draußen am Hoftor angebunden und erschossen. Kathy ist völlig mit den Nerven ’runter. Beeilen Sie sich.«
    Mutherfield legte den Hörer auf.
    »Ich gehe wieder ’rein«, sagte er und zeigte mit dem Kopf auf die Tür. »Bis der Doc kommt, möchte ich sie nicht aus den Augen lassen.«
    Ich nickte.
    Mutherfield verschwand in dem Zimmer, wo wir die Frau auf die Couch gelegt hatten. Natürlich waren wir zu spät gekommen. In diesem verfluchten Fall ging ja alles schief. Das Pech flog tonnenweise auf unseren Weg.
    Ich steckte mir eine Zigarette an und ging im Flur auf und ab. In meinem Gehirn hatte sich der hartnäckige Gedanke festgebissen, daß Leute nicht spurlos verschwinden können. Daß eine Spur zurückgeblieben sein müßte. Daß es nur darauf ankäme, diese Spur zu finden und richtig zu deuten.
    Von der Frau war kein vernünftiges Wort zu erfahren. Sie war fertig, restlos fertig. Ihr Körper flog, ihre Zähne schlugen klappernd aufeinander, und das fürchterlichste war,

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