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0228 - Ratten-Tanz

0228 - Ratten-Tanz

Titel: 0228 - Ratten-Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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»Verdammt, wie lange dauert das denn noch?« zischte die Gestalt in der Dunkelheit. Sekundenlang reflektierte das Zifferblatt einer Uhr das Mondlicht; die Phosphormarkierungen glühten nach. »Eine halbe Stunde sind sie jetzt schon drüben, und…«
    »Still!« unterbrach ein anderer, der ebenfalls in der Dunkelheit nicht zu erkennen war. Nur manchmal, wenn er den Kopf hob, konnte man das Aufleuchten zweier heller Punkte sehen; seine Augen.
    »Willst du, daß man uns hört?«
    Der erste Sprecher lachte leise. »Rogier, du bist ein Narr! Wer sollte uns hören? Um diese Zeit schläft jeder!«
    »Du auch, Pierre?«
    Pierre antwortete nicht. Er sah wieder zu dem Haus hinüber. Dort rührte sich nichts.
    Rogier machte eine ärgerliche Handbewegung. Lautlos schob er sich etwas vorwärts, als könne er so besser sehen. Pierre griff zu und zerrte ihn zurück. Er bleckte die Zähne.
    »Willst du, daß man dich sieht?« fragte er höhnisch.
    Rogiers Kopf flog herum. Es sah aus, als wolle er Pierre angreifen, dann aber beruhigte er sich wieder. »Achte lieber auf die Umgebung. Man darf uns nicht überraschen«, zischte er.
    Pierre nickte schulterzuckend und sicherte weiterhin ab.
    Immer noch geschah nichts bei dem Haus.
    Aber dann erscholl plötzlich der gellende Schrei. Der Schrei, eines Mädchens, einer Frau. Pierre und Rogier sahen sich an.
    »Da ist etwas schief gegangen!« zischte Pierre. »Der Schrei durfte nicht sein! Was bei Asmodis…«
    »Ich sehe nach!« stieß Rogier hervor und sprang aus seiner Deckung auf, um in weiten Sprüngen zum Haus hinüberzuwieseln.
    Das helle Mondlicht traf ihn voll und riß auch seinen Kopf aus der Dunkelheit der Nacht.
    Es war der Kopf einer Ratte!
    ***
    Der Schreck raubte Claudine schier den Atem. Träumte sie immer noch? War sie nicht erwacht?
    Aber - dies war nicht die Traum-Umgebung. Dies war ihr Zimmer, in dem sie sich befand. Unverändert in allen Details. Das fahle Mondlicht reichte aus, alle Einzelheiten zu erkennen. Im Traum aber ist alles irgendwie leicht verändert, unterscheidet sich in unwesentlichen Details von der Wirklichkeit.
    Sie träumte nicht.
    Aber der Alptraum-Horror setzte sich in der Wirklichkeit vor!
    Die Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten. Claudine war wie gelähmt. Vor ihr glühten zwei rote Punkte. Augen! Augen in einem Kopf, der nicht der eines Menschen war. Wie ein mächtiger Schatten stand das unglaubliche Wesen neben ihrem Bett.
    War das ein Mensch, ein Mann? Er sah so aus, aber warum besaß er dann nicht den Kopf eines Menschen? Und die Hände… sie waren grau, von Fell bedeckt, und anstelle der Fingernägel wuchsen lange Krallen.
    Und der Kopf…
    Claudine war wie hypnotisiert, starrte den mächtigen Rattenschädel mit den glühenden Augen an. So etwas gab es doch gar nicht! Das war doch unmöglich! Ein Rattenmensch…
    Und doch stand er vor ihr!
    Langsam löste sich die Starre. Claudine drehte den Kopf, sah zur Tür. Sie war nach wie vor geschlossen, aber vor dem hellen Türblatt stand eine weitere schattenhafte Gestalt. Auch mit Rattenschädel!
    Ein Pfeiflaut erklang vom Fenster.
    Claudine fuhr herum.
    Da kauerte eine unglaublich fette Ratte auf der Fensterbank und schaute sie unverwandt an! Von ihr kamen die Pfeiflaute, und es mußten Befehle sein.
    Denn in die beiden Unheimlichen kam Bewegung. Sie traten dicht an Claudines Bett.
    Verzweifelt irrten ihre Hände über das Bett, suchten nach der dünnen Decke, um sie in einem Anfall von Vogel-Strauß-Manie über den Kopf zu reißen, nichts mehr zu sehen. Aber die Decke war bei ihrem wilden Alptraum-Strampeln endgültig zu Boden gerutscht. Ungeschützt lag sie vor den unheimlichen Wesen, nur in ein kurzes, durchsichtiges Négligé gehüllt.
    Die Krallenhände griffen nach ihr.
    Sie riß die Arme hoch, um sich zu schützen, hielt sie vor sich. Eine Rattenmensch-Hand griff nach ihrem rechten Arm, zog daran. Lautlos geschah alles, gespenstisch still.
    Claudine war nicht mehr still. Sie schrie auf. Langanhaltend und gellend. Sie schrie ihre panische Angst in die Nacht hinaus.
    ***
    Alexander Piquet hatte schon immer einen leichten Schlaf gehabt. So schreckte er schon beim ersten Laut empor.
    Claudine schrie!
    Mit einem Satz war Alexander aus dem Bett. Louise, seine angetraute und angeblich bessere Hälfte, kämpfte mühsam gegen das Erwachen an. »Waschenlosch?« nuschelte sie verschlafen. »Werschreitenda?«
    Piquet riß die Tür des ehelichen Schlafzimmers auf. Er hatte es schon lange kommen sehen.

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