0229 - Der schwarze Druide
besaß. Das Kapital reichte dann gerade noch, dieses Herrenhaus zu erwerben. Mir unverständlich, Raffael, weil er doch still und heimlich über Reichtümer verfügt, mit denen er den schwindsüchtigen Staatshaushalt der Vereinigten Staaten auf zwanzig Jahre sanieren könnte…«
Raffael Bois wußte zwar nicht genau über die Verschuldung der USA-Regierung Bescheid, aber wenn sie so hoch war wie Nordamerika groß, dann mußte es sich um beachtliche Beträge handeln.
»Das verstehe ich nicht, Clement! Wenn Graf de Blaussec so unendlich reich ist, mußte er doch nicht verkaufen…«
Clement zuckte mit den Schultern. »Er hält seinen Reichtum geheim. Ich bin der einzige, der weiß, daß er einen gewaltigen Schatz sein eigen nennt.«
Raffael hob die Brauen. Unter vier Augen wurde sein alter Freund zum Verräter. Aber untereinander konnten sie sich vertrauen. Wenn Clement nicht hundertprozentig sicher wäre, daß Raffael dieses Geheimnis nicht weitergab, hätte er erst gar nicht davon gesprochen.
»Hin und wieder nur sucht er seine… ähem… Schatzkammer im Keller auf, um sich die Reichtümer anzusehen. Einmal war ich dabei. Mir wurde schwindlig. Ich glaube, er hat nur Angst, daß jemand ihn entführt oder ermordet, um an den Schatz zu kommen. Vielleicht hält er ihn deshalb geheim. Eigentlich müßte er einer der reichsten Menschen der Welt sein.«
»Hm«, machte Raffael. »So ein Schatz muß doch irgendwo her kommen. Der wächst doch nicht auf Bäumen. War einer seiner Ahnen vielleicht einmal Pirat oder so etwas in der Art, oder hat er ein gesunkenes Schatzschiff geplündert?«
Darüber hatte sich der Graf auch seinem Diener gegenüber immer erfolgreich ausgeschwiegen.
In seiner Freude, nach zehn Jahren den alten Freund endlich wieder einmal für ein paar Tage bei sich zu haben, ging Clement Ferrac in seinem Verrat noch ein paar Schritte weiter: »Raffael, soll ich dir den Schatz zeigen? Möchtest du ihn sehen?«
»Und was sagt der Graf dazu?«
»Was soll er dazu sagen? Nichts, weil er es nicht unbedingt erfährt. Er ist nach Paris gereist und kommt erst in der Nacht zurück. Wir könnten uns den Schatz einmal ansehen.«
»Bevor ich mich erschlagen lasse«, lächelte Raffael und folgte Clement. Beiden war in diesem Moment nicht bewußt, daß sie jeden anderen vom Hauspersonal fristlos entlassen hätten, ertappten sie ihn dabei, in die Schatzkammer der Herrschaft unerlaubt einzudringen. Aber irgendwie löschte die freudige Stimmung alle Bedenken aus.
Clement blieb an der Kellertreppe stehen. »Es ist ein altes Haus«, sagte er, »und erst zum Teil modernisiert. Hier unten gibt es noch kein elektrisches Licht, zumindest nicht in jedem Teil des Kellers. Wir müssen also eine Fackel mitnehmen.«
Raffael nickte. Er war damit vertraut. Auch im Schloß seines Brötchengebers, so hochmodern es auch eingerichtet war, gab es noch unerforschte Kellerräume, von denen Zamorra einen Teil versiegelt hatte. Und in jenen Räumen, die seit ein paar Jahrhunderten niemand mehr betreten hatte und die noch viele Geheimnisse bergen konnten, gab es auch kein elektrisches Licht.
Am ersten Treppenabsatz hingen Fackeln in einer Halterung. Clement nahm eine davon heraus und setzte sie in Brand. Die Flamme strahlte warmes, flackerndes Licht aus und zog eine Rußspur hinter sich her. Die geschwärzte Decke der Treppe und der unteren Korridore zeugte davon, daß diese Art der Beleuchtung häufig benutzt wurde.
»Wir müßten wieder einmal reinigen lassen«, bemerkte Clement. »Auch der Staub nimmt wieder überhand. Wenn man hier nicht jeden Tag saubermacht, wird man des Staubes kaum noch Herr.«
»Wem sagst du das?« lächelte Raffael gedankenverloren. Er kannte es doch auch, und Château Montagne war wesentlich größer als dieses alte Bauwerk. Da reichte das Personal auch nicht mehr aus, sich um die Kellerräume zu kümmern…
Vor einer massiven Eichentür am Ende eines langen Korridors blieb Clement schließlich stehen. Drei starke Riegel mit großen Vorhängeschlössern sicherten die Tür. Raffael lächelte. »Einbruchssicher ist das aber auch nicht, höchstens vorsintflutlich.«
»Wo niemand einen Schatz vermutet, bricht auch niemand ein«, verkündete Clement und drehte sich um. Sorge spiegelte sich in seinem faltigen Gesicht. »Du…«
Er sprach nicht weiter. Es war überflüssig, an Raffaels Verschwiegenheit zu appelieren. Er wußte, daß Raffael nichts weitererzählen würde. Wem denn auch?
Clement zog einen
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