0230 - Im Land der Unheils
sich selbst, den Magier…
Aber es war nicht ein Mann.
Es waren drei.
Er sah hoch, blickte dem heranstürmenden Magier entgegen und starrte dann wieder in die Glaskugel. Das magische Auge zeigte drei absolut identische Gegner, die dicht nebeneinander und in langen Sätzen die Treppe heruntergehetzt kamen, die Schwerter zum tödlichen Streich erhoben - aber er selbst sah nur einen einzigen Mann.
Hastig griff er nach seinem Schwert, nahm die Kugel in die Linke und wich Schritt für Schritt zurück. Er wußte nicht, wie es die Unheimlichen fertigbrachten - aber es war kein Wunder, daß er so gut wie keine Chance hatte, wenn er gleichzeitig gegen drei Männer kämpfte und nur einen von ihnen sehen konnte.
Der Magier blieb ein paar Schritte vor ihm stehen und sah wütend auf die Kugel in seiner Hand.
»Wie dumm von mir«, sagte er, »nicht daran zu denken, daß du dieses Spielzeug hast. Aber daran ist jetzt auch nichts mehr zu machen. Und es ändert auch nichts. Gib auf.«
Zamorra schüttelte wütend den Kopf und begann weiter zurückzuweichen. Ein Blick in die Kugel zeigte ihm, daß die drei Angreifer sich geteilt hatten und versuchten, ihn einzukreisen.
Aber er konnte trotzdem nur einen von ihnen sehen. Er war vor ihm, rechts von ihm und auf seiner linken Seite - ganz egal wohin er blickte, erkannte er immer nur diesen einen Mann, der gleichzeitig an drei verschiedenen Stellen zu sein schien.
»Gib auf, Zamorra«, sagte der Magier. »Gib auf und ich verspreche dir einen raschen und schmerzlosen Tod.«
Zamorras Antwort bestand in einem wütenden Angriff. Er sprang vor, holte zu einem beidhändig geführten Hieb aus und riß das Schwert im letzten Moment herum. Die Klinge schnitt ein Stück weit durch leere Luft, traf dann auf irgend etwas und war plötzlich voller Blut.
Ein spitzer, unmenschlich gellender Schrei zerschnitt die Stille. Der Magier taumelte, ließ Schild und Schwert fallen und hob beide Hände an den Hals. Obwohl er keine sichtbare Verletzung hatte, sprudelte plötzlich zwischen seinen Fingern Blut hervor.
Zamorra warf einen raschen Blick in den Kristall. Die drei Männer, die er darin sah, krümmten sich auf dem Boden. Der Magier war immer nur eine Person gewesen; ein einzelner Mann, der es durch einen Trick geschafft hatte, seinen Körper zu vervielfachen.
Zamorra versuchte erst gar nicht, es zu verstehen.
Sein Blick heftete sich wieder auf den Sterbenden. Der Mann lag in einer rasch größer werdenden Blutlache. Er lebte noch, aber der Blutverlust war so groß, daß er allenfalls noch einige Sekunden durchhalten würde.
»Du… hast mich besiegt, Zamorra«, stöhnte er. Seine Worte waren von einem rasselnden, furchtbaren Geräusch begleitet. »Ich habe dich… unterschätzt.«
»Wer sind Sie?« fragte Zamorra. »War das alles hier Ihr Werk?«
Der Mann schüttelte schwach den Kopf. Sein Gesicht wirkte plötzlich eingefallen und grau, und trotz allem hatte Zamorra mit einem Male Mitleid mit ihm. Der Tod eines Menschen ist niemals Anlaß zu Freude oder Triumph.
»Ich war der… Joker, wenn wir schon über Spiele reden«, sagte er schwach. »Aber Sie… haben noch nicht gewonnen. Sie können nicht… siegen. Sie sind tot, Zamorra. Sie waren schon tot, als sie den Würfel in die Hand genommen haben. Sie werden… sterben.« Er begann plötzlich zu lachen, hoch, schrill und unnatürlich. Sein Körper zuckte, als würde er von einem Krampf geschüttelt.
Dann, von einer Sekunde auf die andere, war er tot.
Zamorra richtete sich schwerfällig auf, warf die nutzlos gewordene Kristallkugel fort und ging langsam zur Treppe zurück.
Die Torflügel standen weit offen.
***
Im ersten Moment hatte er das Gefühl, direkt in ein gigantisches, bodenloses Nichts zu stürzen. Es war der gleiche Effekt, den er schon oben am Tor beobachtet hatte, nur stärker, viel stärker. Dann, langsam, begannen sich Farben und vage, vergängliche Formen herauszubilden. Etwas wie ein Thron zeichnete sich vor ihm in der Dunkelheit ab, ein monströses Gebilde aus Stein und materialisierter Schwärze, das eine Art barbarischer Würde auszustrahlen schien.
Er machte ein paar zögernde Schritte und blieb stehen. Er war nicht allein in der Kammer, das spürte er deutlich. Aber was immer hier sein mochte, es war weder ein Mensch noch ein Dämon, sondern etwas Fremdes. Etwas, mit dem er noch nie konfrontiert worden war.
»Gut«, sagte er laut. »Ich bin hier. Wer immer du bist - zeige dich.«
Im ersten Moment geschah nichts.
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