Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0230 - Im Land der Unheils

0230 - Im Land der Unheils

Titel: 0230 - Im Land der Unheils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang E. Hohlbein
Vom Netzwerk:
Alte. »Ich verlange nicht von Ihnen, daß Sie mir glauben. Sie haben diese Frau geliebt, nicht wahr?«
    Zamorra nickte fast unmerklich. Der Alte atmete hörbar ein, winkte und begann Schirtt für Schritt in den Gang zurückzuweichen. »Kommen Sie«, sagte er. »Sie sind jetzt außer Gefahr. Sie können das Ziel erreichen.«
    Das Ziel… das Wort bekam in Zamorras Denken einen boshaften, höhnischen Beiklang. Der Preis, der von ihm verlangt wurde, war zu hoch.
    »Ich weiß, was Sie jetzt denken«, murmelte der Alte. »Aber es stimmt nicht. Sie haben die beiden Menschen verloren, die Ihnen am meisten bedeutet haben. Aber Sie dürfen Ihr Leben nicht wegwerfen. Kämpfen Sie. Und sei es nur, um sich zu rächen.« Er senkte den Bogen um eine Winzigkeit, hielt die Sehne aber gespannt.
    »Wenn Sie diesem Gang bis zum Ende folgen, gelangen Sie in eine Halle. Sie ist leer. Es gibt dort keine Gefahren. An ihrem Ende liegt eine Tür. Dahinter befindet sich die Schatzkammer. Ich werde Sie jetzt verlassen. Mein Weg ist hier zu Ende.«
    Zamorras Hände begannen plötzlich zu zittern. Er wollte etwas sagen, aber seine Kehle war wie zugeschnürt, und alles, was er herausbrachte, war ein mühsames Stöhnen.
    »Hassen Sie mich ruhig, wenn Sie wollen. Wir werden uns nicht Wiedersehen. Vielleicht erleichtert es Sie, wenn Sie einen Menschen hassen können für das, was geschehen ist.«
    Er lächelte, senkte den Bogen vollends und verschwand mit raschen Schritten in der Dunkelheit.
    Irgendwie schaffte es Zamorra, den Steg zu verlassen und in den Gang hineinzukommen. Er wußte nicht, wie. In ihm war kein Schmerz, nicht einmal Trauer. Er fühlte sich nur leer. Ein Empfinden, als hätte er etwas unglaublich Wertvolles verloren. Er wußte, daß Nicole tot war. Wenn der Pfeil sie nicht getötet hatte, dann der Sturz in die Tiefe oder das tausendarmige Ungeheuer, das irgendwo dort lauerte. Der logische, bewußte Teil seines Denkens sagte ihm, daß es so sein mußte, aber der andere Teil von ihm, der Mensch Zamorra, das von Gefühlen und Empfindungen gelenkte Wesen, das Nicole geliebt hatte, weigerte sich einfach, es zu begreifen.
    Es ist zuviel, dachte er müde. Der Preis war zu hoch. Es lohnt sich nicht. Vielleicht hatte der Alte recht und er würde jetzt den Ausgang aus diesem höllischen Labyrinth finden. Aber er sah plötzlich keinen Sinn mehr darin. Warum sollte er leben, wenn alles, was er geliebt hatte, wofür er gelebt hatte, zerstört war?
    Rache?
    Nein. Rache war kein Grund, niemals und für nichts. Er suchte in sich, aber er fand keinen Haß, weder auf den, der dieses menschenverschlingende Labyrinth ersonnen hatte noch auf den Alten, dessen Hand den tödlichen Pfeil abgefeuert hatte. Rache machte Bill und Nicole nicht wieder lebendig. Sie nutzte niemandem.
    Aber vielleicht saß der Schock auch nur einfach zu tief, als daß er überhaupt irgend etwas empfinden konnte.
    Er lehnte sich mit geschlossenen Augen gegen die Wand und versuchte an nichts zu denken. Eine tiefe, wohltuende Müdigkeit begann von seinem Körper Besitz zu ergreifen.
    Lange Zeit stand er so reglos da.
    Dann schob er sein Schwert in die Scheide zurück und begann langsam loszumarschieren.
    ***
    Wäre es fähig gewesen, so etwas wie Freude zu empfinden, hätte das Wesen jetzt gelacht. Es war seinem Ziel nahe, sehr nahe. Das Spiel war fast beendet, zwei der gegnerischen Figuren geschlagen und die dritte in der Falle.
    Es sah sich in der weiten, kahlen Kammer um, veränderte hier etwas, fügte dort etwas hinzu und nahm da etwas weg, bis der Raum genau seinen Vorstellungen entsprach. Es war fast zu leicht gewesen, um nicht interessant zu sein. Die Menschen hatten sich gut gehalten, aber nur zu Anfang. Sie ermüdeten rasch, und mit ihrer körperlichen Kraft schwand auch ihre geistige Leistungsfähigkeit. Der eine, der noch übrig geblieben war, war der Beste von ihnen. Aber auch er war schwach, lächerlich schwach.
    Für einen Moment überlegte das Wesen, ob es den geistigen Druck verstärken und Zamorra zu seinem treuen Diener machen sollte, statt ihn zu vernichten. Aber es verwarf diesen Gedanken rasch. Diener waren nützlich, aber bei dem, was es vorhatte, stellten sie nur eine Belastung dar.
    Nein, es würde bei seinem ursprünglichen Plan bleiben. Es hatte seinen letzten Zug getan. Nun war Zamorra an der Reihe.
    Das Finale begann!
    ***
    Die Halle war leer, wie der Alte gesagt hatte. Und sie unterschied sich von den Gewölben, durch die sie bisher gekommen waren.

Weitere Kostenlose Bücher