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0232 - Plutons Zauberbuch

0232 - Plutons Zauberbuch

Titel: 0232 - Plutons Zauberbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Der Chinese hob die Hand, die gerade noch am Lenkrad des Wagens lag. Er spreizte zwei Finger ab, überkreuzte die beiden mittleren und krümmte den Daumen einwärts. Die Hand pendelte vor Ute Enkheims Augen hin und her.
    Sie wollte die Augen schließen. Auch das ging nicht. Die Hand des Chinesen war wie ein Schlangenkopf. Sein Mund öffnete sich und entblößte spitze Zähne, wie die Zinken eines Kamms. Er sagte etwas. Ute verstand es nicht. Ihr Verstand sträubte sich dagegen, diese unmenschlichen Laute zu verarbeiten. Und doch nahm sie sie auf, prägte sie sich unauslöschlich ein.
    Der Mund des Chinesen schloß sich wieder. Die Fingerstellung veränderte sich.
    Und Ute Enkheim stand draußen am Straßenrand. Der große, flache Wagen jagte mit hoher Geschwindigkeit davon. Seine Rückleuchten glühten wie die Augen eines Dämons.
    Aufschluchzend sank das Mädchen in die Knie. Das Grauen schüttelte sie.
    ***
    »Das ist er, Towarischtsch«, sagte der Mann im dunkelgrünen Anzug. Er schnipste mit zwei Fingern ein Foto auf den Tisch wie eine Spielkarte. »Endlich haben wir sein Konterfei. Sieht hübsch aus, wie er so grinst, nicht wahr?«
    Der andere Mann griff nach dem Bild und betrachtete es. Es zeigte einen etwas aufgedunsen wirkenden Chinesen mit kahlem Kopf und typischem Mongolenbart.
    »Hm, sieht aus wie Dschinghis Khan persönlich«, sagte der Mann und reichte das Foto weiter an die Frau, die neben ihm saß und an ihrem Eisbecher löffelte. Sie verengte die Augen und nahm das Bild förmlich in sich auf.
    »Er trägt übrigens nach alter Sitte einen Zopf«, verriet der erste Sprecher. »Ein V-Mann konnte ihn vor zwei Wochen knipsen und eine zusätzliche Beschreibung liefern.«
    »Immerhin«, stellte Tamara Galinovsk spitz fest, »ist die Schnelligkeit unserer Abteilung bewundernswert. Zwei Wochen…«
    »Kritik steht uns nicht an, Towarischtka«, wurde sie verwiesen. Sie warf den Kopf in den Nacken. »Und wie sollen wir unter diesen Umständen Erfolge erzielen, Genosse Grigorij Semjono witsch Taskanoff? Wenn wir wochenlang auf Informationen warten müssen? Weiß man wenigstens den Namen, den er derzeit spazieren trägt?«
    »Sheng Li-Nong«, verriet Taskanoff.
    »Sheng Li-Nong«, echote Pjotr Wassilowitch, der dritte im Bunde. »Das klingt nicht echt. Ich habe ein Gespür für chinesische Namen. Die kannst du zwar zusammenstellen, wie du lustig bist, wenn du einen Liter Wodka im Bauch spazierenträgst, aber eine gewisse Lautlogik ist doch drin. Und das Li-Non paßt nicht. Anders herum wird ein Schuh draus. Nong-Li.«
    Taskanoff tippte sich an die Stirn.
    »Der Mann ist Chinese«, sagte er. »Und warum sollte er sich einen Falschnamen zulegen, den jeder sofort als solchen erkennt?«
    Tamara Galinovsk lehnte sich im Korbstuhl zurück und schlug die bemerkenswert langen Beine übereinander, die in kapitalistisch-engen Röhrenjeans steckten, schockrot. Das Bolerowestchen war ebenfalls schockrot, konnte aber nicht verbergen, daß die weiße Bluse kapitalistisch dünn und durchsichtig war, und Genossin Galinovsks durchaus aufregender Busen keinerlei sozialistischer Stützung bedurfte. Taskanoff, dem Einsatzleiter, gefiel das ganz und gar nicht. Vor allem, weil die Genossin Galinovsk deutliche Tendenzen zeigte, daß ihr die westliche Mode gefiel.
    Pjotr Wassilowitch gefiel sie auch; ein weiterer Grund für den Unmut Taskanoffs. Er befürchtete, daß sich Wassilowitch mehr für Tamaras hübschen Busen interessierte als für den Auftrag.
    »Woher wissen wir überhaupt, daß er wirklich ein Chinese ist?« flötete Tamara. »Schon mal was von kosmetischen Eingriffen gehört?«
    Taskanoff verengte die Augen. »Unsere Abteilung«, sagte er, als verrate er ein streng gehütetes Geheimnis, »recherchiert zuweilen etwas langsam. Das aber rührt von der außerordentlichen Sorgfalt her.«
    »Schön«, lächelte Tamara. »Was nun also, Genosse Kapitän?«
    »Ich ziehe ein paar Fäden und spiele Feuerwehr«, sagte Taskanoff. »Du machst dich an den Chinesen heran.«
    »Und wenn ich dran bin, frage ich ihn aus«, meinte Tamara. »Kein großes Problem. Anschließend?«
    Taskanoff streckte die Hand aus und krümmte den Zeigefinger. »Anschließend brauchen wir Sheng nicht mehr.«
    Tamara nickte, ohne zusammenzuzucken.
    »Und was habe ich dabei zu tun?« wollte Wassilowitch wissen.
    Taskanoff lächelte frostig.
    »Du«, sagte er und genoß das heftige Zusammenzucken des Agenten, »kümmerst dich direkt um das Buch.«
    ***
    »Das Buch«,

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