0235 - Die Kaste der Weißrüssel
Hitzköpfe zügelten.
„Der Zug wird langsamer!" rief Kasom.
Die Sessel kippten in ihre Normallage zurück, als der Zug in eine lange Gerade einfuhr und aus dem Adernsystem des Mobys herauskam. Durch das Fenster fiel Licht von einer künstlichen Sonne herein.
Rhodan blickte hinaus.
Offenbar fuhren sie in eine riesige Halle ein. Rhodan schaute auf eine hügelige Landschaft, in der in unregelmäßigen Abständen kleinere Häuser standen. Unmittelbar neben dem Schienenstrang tauchten langgestreckte Gebäude auf. Rhodan vermutete, daß es sich um Lagerhallen handelte. Gleich darauf sah er die ersten Angehörigen der B-Kaste. Sie unterschieden sich körperlich nicht von den Rotrüsseln. Nur waren ihre Rüssel blau lackiert.
Nur wenige Twonoser schienen den Zug für so interessant zu halten, daß sie ihm einen Blick schenkten. Rhodan ahnte, daß die Bewohner der mittleren Mobyetage nicht weniger eingebildet waren als die Rotrüssel.
Der Zug hielt neben einer beleuchteten Rampe. Einer der Wächter trat ins Abteil.
„Wir haben einen kurzen Aufenthalt. Der Zug wird mit Gütern beladen. Bleiben Sie auf Ihren Plätzen."
Der Twonoser sprach langsam, als habe er Kinder vor sich, denen man alles gründlich erklären müßte.
„Warum werden keine Erfrischungen gereicht?" fragte Kasom ironisch. Er erhob sich und winkte einem der Aufseher zu. „Mein Magen knurrt, mein Freund", sagte er. „Ich glaube zwar nicht, daß dies ein Beweis für eine höhere Kastenzugehörigkeit ist, aber das ist mir auch gleichgültig."
„Setzen Sie sich. Kasom", sagte Atlan.
„Ich habe Hunger", erklärte der Ertruser nachdrücklich. „Ich gehöre nicht zu den begnadeten Menschen, die tagelang fasten können."
„Bisher wurden wir ausreichend verpflegt", sagte Atlan. „Machen Sie also keinen Unsinn."
Widerstrebend nahm Kasom wieder Platz. Vor dem Zug versammelten sich immer mehr Blaurüssel. Sie schauten zum Fenster herein und machten verächtliche Gesten.
Flache Transportwagen, beladen mit Gepäckstücken rollten vorbei. Rhodan hörte von dem hinteren Wagen Lärm aufklingen.
„Da ist etwas im Gange, Sir", sagte Marshall. „Ich empfange viele empörte Gedanken unserer Männer."
Rhodan stand auf und trat ans Fenster. Als er versuchte, es zu öffnen, kam wieder ein Rotrüssel herein.
„Schwierigkeiten", sagte er knapp. Seine kleine Strahlwaffe zeigte auf Rhodan. „Los! Sie kommen mit nach hinten."
Rhodan zögerte. „Was ist passiert?" wollte er wissen.
„Vorwärts!" war die einzige Antwort des Twonosers. Bevor Rhodan es verhindern konnte, war Kendall Baynes aufgesprungen und hinter ihm aus dem Abteil gehuscht.
„Wenn ich Begleitung wünsche, werde ich mich rechtzeitig melden, Fähnrich", sagte Rhodan scharf.
„Entschuldigen Sie, Sir", sagte Baynes, ohne im mindesten einen zerknirschten Eindruck zu machen.
„Aber es ist immerhin möglich, daß Sie einen Mann wie mich brauchen können."
Rhodan betrachtete dieses blasse, aber entschlossene Gesicht.
„Also gut", meinte er. „Aber hören Sie um Himmels willen auf zu spielen, wenn wir nach hinten gehen."
„Ja, Sir!" rief Lord Baynes erleichtert.
Am Ende des viertletzten Wagens mußten sie auf Befehl des vorausgehenden Twonosers den Zug verlassen. Kaum war Rhodan auf der Rampe, als er sah, daß mindestens hundert Terraner aus dem Zug gekommen waren und sich hinter einem Transportwagen verschanzt hatten. Der größte Teil der übrigen Männer belagerte die Eingänge der hinteren Wagen. Das Geschrei war ohrenbetäubend.
Die Wächter hatten einen Ring um die Gefangenen gebildet, der nur auf der entgegengesetzten Seite des Zuges geöffnet war. Dort sah Rhodan etwa zwanzig Blaurüssel stehen, die unförmige Gegenstände in die empörte Menge warfen.
„Warum greifen Sie nicht ein?" fragte Rhodan den neben ihm stehenden Rotrüssel.
Das Facettenauge des seltsamen Wesens fixierte ihn. „Eingreifen?" wiederholte der Angehörige der obersten Kaste., Warum?"
Rhodan wußte, daß es sinnlos war, sich jetzt auf eine Diskussion einzulassen. Noch wußten sie nichts vom Zusammenleben der einzelnen Kasten der Twonoser. Es schien festzustehen, daß sich die C-Kaste nicht darum kümmerte, was die B-Kaste unternahm.
Zusammen mit Baynes erreichte Rhodan den Ring der Aufseher.
„Ich will zu meinen Männern", erklärte Rhodan.
Baynes blieb dicht hinter ihm, seine Augen waren vor Aufregung zusammengekniffen. Rhodan schob sich an den Wächtern vorbei, die ihn nicht aufzuhalten
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