0247 - Vampir-Terror
Der Tisch bestand aus Holz, und die Platte war glatt.
Clare tastete nach den Ziffern ihrer Uhr.
Es war kurz vor Mitternacht.
Es wurde Zeit.
Mit der Kreide zog sie einen Kreis auf der Tischplatte. Obwohl sie blind war, gelang ihr die geometrische Form auf Anhieb. Dann zeichnete sie vier magische Symbole um den Kreis und stellte die Kerzen in einem bestimmten Muster auf.
Das alles hatte Anne ihr gesagt.
Clare entzündete die Kerzen.
Sanft brannte das helle Licht. Clare hatte die Kerzen so gestellt, daß nur der Kreis beleuchtet wurde.
Als sie mit diesen Vorbereitungen soweit fertig war, hielt Clare einen Moment inne. Sie betete um Kraft. Jetzt galt es, das Vermächtnis ihrer Tochter zu erfüllen.
Entschlossen holte sie Luft und legte den geheimnisvollen Beutel in den Mittelpunkt des Kreises.
Gleich war es soweit.
***
Zamorra öffnete die Augen.
Er begriff sofort, wo er sich befand. Seine liegende Position und die Fesseln verrieten es ihm. Er befand sich in der Gewalt seiner Gegner.
Da standen sie, in dunklen Kutten, deren Kapuzen die Gesichter überschatteten. Er überlegte, ob jene Pistolenhelden vom Hotel unter ihnen waren oder ob der Vampirkult eine eigene Einsatztruppe unterhielt. Plötzlich erkannte er, sich an die Gesichter der Männer nicht mehr erinnern zu können, die Embers und ihn überfielen.
Embers lag links. Nicole rechts. Nicole!
»Hallo«, sagte sie spröde. »Fast wie daheim, nicht? Bloß haben wir da keine Zuschauer und außerdem keinen dritten Mann im Bett…«
Wider Willen mußte Zamorra schmunzeln. Nicole hatte ihren Galgenhumor noch nicht verloren. Er aber auch nicht.
»Das fehlte uns noch«, seufzte er. »Embers möchte ich nicht mal im Schrank vorfinden…«
»Kannst du bei mir auch gar nicht«, spielte sie auf ihre prall gefüllten Kleiderschränke an. »Paßt nicht mal mehr ’ne Motte rein…«
Zamorra sah zwischen den Kultisten hindurch. Er sah das schwarzbehaarte Ungeheuer mit den gewaltigen Fledermausflügeln und den Reißzähnen.
Das mußte der Vampir sein.
»Varnae…«
»Ja, ich bin Varnae«, grollte das Ungeheuer. Es tappte dicht an den schwarzen Altar heran.
»Ein Dämon«, sagte Zamorra. »Ein ganz einfacher, größenwahnsinniger Dämon.« Er lachte.
In Wirklichkeit war ihm gar nicht nach Lachen zumute. Ungewißheit und Furcht kämpften in ihm. Er versuchte, an seinen Fesseln zú arbeiten, aber diese gaben nicht nach. Dennoch reizte er Varnae. Der Vampirdämon sollte aus sich herausgehen, Zamorra ungewollt mehr über sich verraten.
»Ich bin mehr als ein Dämon«, schrie Varnae. »Du wirst es merken…«
»Chef«, flüsterte Nicole. »Er ist… Er war Axel Sherman… Er hat mich hereingelegt…«
»Du mich doch auch. Wie war das mit dem Spaziergang? Weißt du was? Wir befehlen diesem Varnae, die Fesseln wieder zu lösen, und dann machen wir den Spaziergang zusammen…«
Varnae fauchte. Die Mißachtung seiner Person gefiel ihm nicht. Auch den anderen Kultisten nicht. Einer von ihnen trat vor. Seine Faust stieß schmerzhaft in Zamorras Seite.
»Schweig angesichts dessen, dem du mit deinem Tod dienen wirst!«
Diesmal zog Zamorra es wirklich vor zu schweigen. Der Schmerz raubte ihm für fast eine Minute den Atem. Aus den Augenwinkeln sah er zu Embers. Der Fotoreporter war immer noch bewußtlos, er hatte es auf jeden Fall besser.
Oder auch nicht - wie man es nahm.
Zamorra beschloß zu handeln. Vamae gab nichts mehr über sich preis. Es gab keine Möglichkeit mehr, Zeit zu gewinnen. Auf einen Wink des Vampirungeheuers stimmten die Kult-Anhänger einen eigentümlichen Singsang an. Es waren keine Wörter, nur Töne, die aneinandergereiht wurden und in ihrer Gesamtheit bedrohlich klangen.
Das Ritual begann.
»Tu etwas, verdammt«, zischte Nicole.
Zamorra tat etwas!
Er sandte seinen gedanklichen Ruf aus. Er wollte das Amulett zu sich holen durch die Kraft seiner Gedanken. Oft genug war es ihm gelungen. Vielleicht auch diesmal…
Wenn man sich nur richtig auf die Silberscheibe verlassen könnte… Früher war das anders gewesen. Jetzt jedoch verlor es immer mehr an Kraft und wurde unberechenbar.
Immerhin - wenn es auf den Ruf reagierte, war hier gleich alles vorbei. Dann kam es zu ihm, schnell wie das Licht und durch feste Materie hindurch, unaufhaltsam und mächtig.
Da fühlte er den Kontakt!
Das Amulett reagierte! Es wollte kommen…
Und im gleichen Moment brach der Kontakt wieder zusammen. Etwas, das von außen kam, peitschte förmlich in Zamorras
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