0250 - Pandoras Botschaft
sie. Hoch oben in den schottischen Bergen stand es bereits seit langer Zeit, und es hatte den Naturgewalten ebenso getrotzt wie vor vielen Jahren den Angriffen heidnischer Menschen. Das Kloster war zu einer Trutzburg des Guten geworden, in dem die Mönche ihre Sicherheit fanden.
Es hatte auch andere Zeiten gegeben. Schreckliche Morde waren hinter den dicken Klostermauern passiert. Unheimliche Gestalten aus dem Reich der Finsternis hatten das Kloster angegriffen, und es wäre ihnen fast gelungen, es an sich zu reißen.
Ein Abt hatte sein Leben verloren, andere Mönche waren verletzt worden, doch wie ein Mann standen sie hinter ihrem Glauben und der Sache des Guten. Sie ließen sich durch nichts vertreiben. Nicht von den Menschen, nicht von Dämonen und erst recht nicht vom Satan, dem sie den Kampf angesagt hatten.
Die Mönche beteten viel. Ora et labora - bete und arbeite. So lautete ihre Devise, und ihr allein blieben sie treu. Dafür starben sie, dafür gaben sie vieles auf. Ihre Zeit war genau eingeteilt. Es gab keine Stunde Leerlauf am Tag, und auch die Gebete gehörten zu den Ritualen, die das ganze Jahr über abliefen. Jeder Bruder mußte sich in der Kapelle einfinden und an der Andacht teilnehmen. Nachdem der Choral der Mönche verstummt war, erhob sich der Vorbeter. Der Mann stand aus seiner knienden Haltung auf, streckte seinen Rücken und schritt auf den schmucklosen Altarstein zu, der vor den Bänken mit den betenden Mönchen seinen Platz gefunden hatte.
Der Vorbeter verneigte sich, berührte die Altarplatte mit seinen Lippen und drehte sich um.
Er schaute auf seine Brüder, die in jetzt stummer Andacht in den Bänken knieten und die Hände gefaltet hatten. Rechts und links des Altars brannten zwei Kerzen, deren Widerschein auch über den Körper des Vorbeters huschte und seine Gestalt mit einem langen Schatten versah. Die schmalen Fenster der Kapelle befanden sich an den Seitenwänden. Sie liefen oben rund zu. Die Füllung bestand aus farbigem Glas und zeigte Figuren aus dem Kirchenleben und der Kirchengeschichte.
Jeder Mönch hatte seinen bestimmten Platz. Dort beteten sie stumm oder laut, da versanken sie in Andacht und flehten um den Frieden der Welt.
Sie konzentrierten sich nur auf ihre Aufgaben und taten dies mit einer selten erlebten Hingabe.
Nur ein Mönch war an diesem Morgen mit seinen Gedanken nicht recht bei der Sache. Pater Ignatius!
Er war derjenige Bruder im Kloster, dem eine besondere Aufgabe zugedacht war. Als Schmied arbeitete er, und das war seinem Körper auch anzusehen. Von breiter Gestalt war er, sogar unter der Kutte war dies zu erkennen, und auch sein Gesicht zeigte keinen feinen Schnitt, sondern war rauh und uneben wie das Land, in dem er aufgewachsen war. Pater Ignatius stammte aus Schottland. Er war ein furchtloser Gottesmann, der sich den Gefahren stellte und keiner Auseinandersetzung aus dem Weg ging. Er hatte bereits bewiesen, welch eine Kraft in seinen Fäusten steckte, und er war ausersehen worden, dem Guten die Chance zum Überleben zu geben.
Er wirkte, wenn man vor ihm stand, wie ein Felsen in der Brandung. Nichts konnte diesen in seinem Glauben erstarkten Menschen erschüttern, und deshalb war ihm auch eine besondere Aufgabe zugeteilt worden.
Als Schmied des Klosters war er verantwortlich dafür, daß John Sinclair, der Geisterjäger, ständig mit geweihten Silberkugeln für seine Beretta versorgt wurde. Jede Kugel war handgearbeitet, und Pater Ignatius beschäftigte sich fast die Hälfte des Tages mit dieser Arbeit.
Er schickte dem Geisterjäger einmal im Monat ein Päckchen mit den geweihten Silberkugeln. John Sinclair sandte jeweils einmal im Monat den größten Teil der Kugeln zurück, die er verschossen hatte und die deformiert waren. So ging nicht viel des wertvollen Metalls verloren. Pater Ignatius konnte die Kugeln wieder einschmelzen und aus dem Silber neue Geschosse herstellen. Natürlich wußten auch die Dämonen und höllischen Gestalten, was in diesem Kloster geschah. Sie hatten es angegriffen, doch die Attacken waren zurückgeschlagen worden. Die Mönche konnten wieder in aller Ruhe ihrer Arbeit nachgehen.
Der Vorbeter hob beide Arme. Es war das Zeichen für die Mönche, ihre Köpfe zu senken. Zahlreiche Finger tasteten nach den Rosenkränzen.
Auch Pater Ignatius hörte die gesungenen Worte des Vorbeters. Doch er reagierte anders als seine Brüder. Zwar glitten auch bei ihm die Perlen durch die Finger, aber er war nicht ganz bei der Sache und
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