0250 - Pandoras Botschaft
wissen.
Ich hob den Kopf. »Ja, sehr.«
»Wollen Sie hin? Natürlich nur, wenn für Sie nichts Wichtiges anliegt.«
»Nein, Doc. Sie haben mich neugierig gemacht. Vielleicht ist dort wirklich der Teufel los. Und um diesen Burschen kümmere ich mich ganz besonders gern.«
Der Mediziner lächelte. »Da bin ich beruhigt, John. Sogar sehr beruhigt.« Er räusperte sich. »Kann ich meinem Kollegen schreiben, daß Sie kommen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Lassen Sie das mal, Doc. Er soll nicht wissen, wer sich dort umschaut.«
»Wenn Sie meinen. In diesem Fall sind Sie der Boß, John.« Ich stand auf.
Auch der Doc erhob sich. Wir reichten uns die Hand und versprachen einander, in Verbindung zu bleiben.
Ich mußte nur noch mit Sir James reden. Der Superintendent würde kaum etwas dagegen haben. Er hatte inzwischen begriffen, daß er sich auf meinen Riecher verlassen konnte.
Mit dem Lift fuhr ich hoch in mein Büro. Dort wartete Suko. Er hatte mit mir zusammen den Kurzlehrgang besucht und schaute mich grinsend an. »Na, bist du verpflastert worden?«
»Ein wenig.«
»Aber der Kopf ist noch dran.«
»Den brauche ich auch.« Ich ließ mich auf den Stuhl fallen.
»Zum Denken oder um das Gleichgewicht zu halten?« wollte mein Freund wissen.
Ich ging auf seine Flachserei nicht ein, denn mich beschäftigten die Worte des Mediziners.
Suko merkte natürlich, was los war, und fragte: »He, John, was hast du?«
»Der Arzt hat mir da eine seltsame Geschichte erzählt.«
»Ein Fall für uns?«
»Möglich.«
»Dann raus mit der Sprache.«
Ich berichtete meinem Partner von den seltsamen Vorgängen oben in Schottland.
Suko schüttelte den Kopf. »Eine Krankheit, von der niemand weiß, woher sie stammt. Das ist doch mehr als merkwürdig.«
»Genau. Und ich habe das ungute Gefühl, daß dahinter etwas Großes, allerdings uns Unbekanntes steckt.«
»Einen Verdacht hast du nicht?«
»Nein, wie sollte ich? Aber wir müßten uns die Sache einmal ansehen. Im Augenblick liegt ja nichts an.«
»Von wegen.« Die helle Frauenstimme meldete sich aus dem Vorzimmer. Bei meinem Eintritt war es leer gewesen. Jetzt erschien Glenda, und sie schwenkte ein Telegramm.
»Für uns?« fragte Suko.
»Ja, aus Schottland.«
Ich dachte nicht an den Fall, den mir der Arzt erzählt hatte, sondern sofort an meine Eltern. Vielleicht wurde ich deshalb so blaß. Es war ihnen doch nichts passiert?
»Wer ist der Absender?« fragte ich mit belegter Stimme. Glenda trat näher. Ich nahm ihr neues Parfüm wahr, das sie zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Ein Duft, der Männer anmachte.
»Pater Ignatius«, erwiderte unsere Sekretärin. »Es scheint sich dort im Kloster einiges anzubahnen, John.«
»Hast du es gelesen?«
»Nein, das überlasse ich dir.«
Während ihrer Worte schlitzte ich bereits den Umschlag auf. Das Telegramm war ziemlich lang. Ich begann zu lesen. Suko las über meine Schulter hinweg mit, und unsere Augen wurden groß…
***
Von einem Augenblick zum anderen war die Vision verschwunden. Nichts mehr da - vorbei. Der Pater schüttelte den Kopf. Er wischte sich über die Augen, aber das Bild blieb.
Die kleine Kirche sah aus wie immer. Da betete der Mönch vor, die gebeugten Rücken der Brüder waren zu sehen, aber von der geheimnisvollen Frau mit dem Füllhorn konnte Ignatius nichts mehr ausmachen.
Abermals stöhnte er, und der neben ihm kniende Mönch wurde erneut aus seiner Andacht gerissen. Bevor er eine Frage stellen konnte, schüttelte der Pater bereits den Kopf.
»Es ist wirklich nichts, Bruder. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen.«
»Ich meine nur…«
»Nein, nein, keine Angst.« Auch Ignatius kniete sich wieder hin, doch seine Gedanken gingen auf Wanderschaft. Er konnte sich diese Vision einfach nicht erklären, und doch mußte sie eine Bedeutung haben. Ob sie mit ihm und seiner Arbeit zusammenhing? Nach der Andacht wollte er einem jungen Bruder das Päckchen mit den neuen Kugeln geben. Der Bruder fuhr hinunter in den Ort Peelham, wo es eine Poststation gab. Von dort wurde das Päckchen nach London geschickt. Aber wo war die Verbindung? Sosehr der Pater auch grübelte, er fand sie einfach nicht und versuchte, sich auf die Gebete zu konzentrieren.
Er atmete auf, als die Andacht endlich vorbei war. Die Mönche erhoben sich. Schweigend verließen sie die dunklen Holzbänke. Niemand sprach. Nur ihre Schritte waren zu hören, als sie sich auf die Ausgangstür zu bewegten. Sie gingen in Zweierreihen. Niemand
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