026 - Der Doppelgänger
einer solchen Stellung verknüpft sind. Aber das unerbittliche Gesetz des Fortschrittes, der natürliche Hang, sich zu verbessern, veranlaßte Mr. Superbus, seinen Posten in der Provinz aufzugeben und ein kleines Büro in dem Gebäude des Versicherungstrusts zu beziehen. Man hatte seinen Namen dort auf ein Glasschild an der Tür gemalt. »Erster Auskunftssekretär« war darauf zu lesen. Den Titel Detektiv, den er auf seine Visitenkarte drucken ließ, legte er sich selbst bei. Er hatte auch den Antrag bei seinem Vorgesetzten gestellt, ihn von Amts wegen eine Nickelmarke unter seiner Westenklappe tragen zu lassen, um sich in geeigneten Momenten zu erkennen zu geben. Aber dieses Ansinnen wurde als unerwünscht abgelehnt.
Mr. Superbus saß am offenen Fenster seines Wohnzimmers und dachte tief nach. Trotz der kühlen Witterung des Tages war er in Hemdsärmeln, denn er zählte zu jenen heißblütigen Männern, denen das kühlere Klima nichts anhaben kann. Es war ein offenes Geheimnis, daß er einer der abgehärteten Männer war, die im Serpentine-Teich im Hydepark an jedem ersten Weihnachtstag ein Bad nah-men, selbst wenn sie die Eisdecke einschlagen mußten. Mit monotoner Regelmäßigkeit erschien sein Bild an jedem 26. Dezember in den illustrierten Zeitungen.
Seine Frau kam zitternd herein. Sie nahm nur warme Bäder.
»Du wirst dich noch auf den Tod erkälten, Julius«, sagte sie. »Macht dir denn das Spaß, vom Morgen bis zum Abend dazusitzen und nichts zu tun?«
»Ich bin kein Müßiggänger«, erwiderte Julius ruhig. »Ich denke tief nach.«
»Das ist es ja gerade, was ich Nichtstun nenne«, meinte sie und deckte den Tisch.
Sie hatte eine außerordentliche Achtung vor den Fähigkeiten ihres Mannes und bewunderte ihn heimlich, aber sie fühlte, daß die Harmonie ihrer Ehe gestört werden könne, wenn sie den Irrtum beging, ihm das offen zu zeigen.
»Ich möchte nur wissen, was du immer zusammendenkst!«
»Das ist reine Verstandesarbeit«, erklärte Julius.
»Du hast immer so verrückte Ideen«, sagte sie verzweifelt.
»Ich wundere mich nur, warum du nicht zur Bühne gehst.«
Es war ihre Überzeugung, daß die Bühne das Reservoir war, in dem jedes Genie eingefangen wurde.
»Dieser Doppelgänger gibt einem wirklich Rätsel auf, obgleich ich schon größere Probleme meiner Zeit gelöst habe.«
Sie nickte.
»Die Art, wie du vorige Woche den Brunnen ausgebessert hast, hat großen Eindruck auf mich gemacht, deshalb glaube ich alles, was du sagst. Wer ist denn dieser Doppelgänger?«
»Ein Schwindler, ein Parasit der menschlichen Gesellschaft, ein menschlicher Vampir - aber ich werde ihn schon fassen! Man munkelt in der Verbrecherwelt, daß Mr. Gordon Selsbury sein nächstes Opfer sein werde.«
Nach dem Mittagessen zog er seinen Rock an und machte sich auf den Weg nach Cheynel Gardens. Gordon war ausgegangen, aber Diana empfing ihn.
»Ich kenne Sie doch - sind Sie nicht Mr. -?«
»Superbus«, sagte Julius im Brustton der Überzeugung.
»Ach so, Sie sind der Römer!«
Mr. Superbus bekannte sich zu dieser außerordentlichen Eigenschaft. Er hätte auch hinzufügen können: »ultimus Romanorum« - der letzte Römer -, aber er kannte diesen lateinischen Ausdruck leider nicht. Statt dessen setzte er mit nicht geringem Pathos hinzu: »Es gibt nur noch wenige von uns!«
»Das glaube ich auch«, meinte Diana. »Nehmen Sie Platz. Wollen Sie eine Tasse Tee haben? Sie sind gekommen, um Mr. Selsbury zu sprechen? Er wird aber erst in einer Stunde zurückkommen.«
»Das war wohl meine Absicht - in gewisser Weise war sie es aber nicht«, erwiderte Julius geheimnisvoll. »Ich möchte nur einen gewissen Mann im Auge behalten!«
Er sah sie dabei mit seinen etwas glasigen Augen an.
»Meinen Sie den Doppelgänger - ich entsinne mich, daß Gordon mir etwas davon erzählt hat. Wer ist das eigentlich, Mr. Superbus?«
»Nun ja, Mrs. -«
»Miss, bitte!«
»Sie sehen nicht so aus«, sagte er galant. »Dieser Doppelgänger ist ein Desperado, er soll aus dem Westen stammen.«
»Meinen Sie den Westen Londons?«
»Nein, ich meine Amerika. Dort kriegen wir doch all diese Kerle her, und dorthin verschwinden sie auch wieder.«
Sie hörte aufmerksam zu, als Mr. Superbus von den Freveltaten dieses Mannes erzählte, der in der Rolle anderer Personen auftrat.
»Also, es gibt nichts, was dieser Mensch nicht tun könnte. Er kann sich dick oder dünn machen, er kann einen großen oder kleinen, einen alten oder einen jungen Mann
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