Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
028 - Zimmer 13

028 - Zimmer 13

Titel: 028 - Zimmer 13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
1
    Über dem finsteren Portal waren die Worte ›PARCERE SUBIECTIS ET DEBELLARE SUPERBOS‹ eingemeißelt.
    Jonny Gray pflegte dies für seine weniger gebildeten Gefährten mit ›prächtige Subjekte‹ zu übersetzen. Mit ›die Unterworfenen schonen - die Übermütigen besiegen‹ hätte er auch gar nichts anfangen können.
    Tag für Tag zogen er und Lal Morgon einen Handkarren durchs Tor und den steilen Hang hinauf. Tag für Tag steckte der rotbärtige Torwächter seinen Schlüssel in das mächtige, glänzende Schloß, die schweren Torflügel schwangen zurück und der kleine Zug, mit je einem bewaffneten Wärter an der Spitze und am Schluß, schritt hinaus. Um vier Uhr nachmittags langten sie müde wieder vor dem Portal an und warteten, bis sie mit ihrem Handkarren eingelassen wurden.
    Sie kannten das Gelände bis zum Überdruß - die elenden Baracken, deren Pechverkleidung gegen die Stürme der Dartmoorgegend Schutz bieten sollte, das niedrige Kontor, die Kantine, die Wäscherei, die alte Bäckerei, den Hof und das geborstene Asphaltpflaster, die häßliche, prunkvoll verzierte Kirche mit den langen, abgescheuerten Bänken und den erhöhten Sitzen für die Wärter, den Friedhof, auf dem die erlösten lebenslänglichem von ihren Mühen ausruhten.
    In diesem Frühjahr baute die Arbeitsgruppe, zu der Jonny und Lal gehörten, einen Schuppen. Sie betätigten sich dabei als Maurer und mochten diese Arbeit ganz gern. Man konnte sich bei einer solchen Beschäftigung freier unterhalten, und Jonny Gray hörte sich an, was Lal Morgon über den ›großen Drucker‹ zu sagen wußte.
    »Nicht zuviel schwatzen«, mahnte der diensttuende Wärter von Zeit zu Zeit.
    »Nein, natürlich nicht, Sir«, beschwichtigte ihn dann Lal.
    Lal war ein dürrer ›Lebenslänglicher‹ von fünfzig Jahren, der nur den einen Ehrgeiz kannte, lange genug zu leben, um sich noch eine neue Zuchthausstrafe verdienen zu können. Und das wollte er, wie er sich an einem dieser Tage ausdrückte, nicht mit einem dämlichen Einbruch bewerkstelligen.
    »Auch nicht mit einer Schießerei wie der alte Legge -oder einem Schwindel mit Spider King, wie du dir's eingebrockt hast.«
    »Ich hab's mir nicht eingebrockt durch einen Schwindel mit Spider King«, sagte Jonny ruhig. »Ich wußte nicht, daß Spider King eingeschmuggelt war, daß überhaupt ein ganz anderes Pferd auf der Rennbahn war, das sie wie Spider King zurechtgestutzt hatten, um mich hereinzulegen. Ich beklage mich nicht darüber.«
    »Ich weiß, daß du unschuldig bist - wie alle hier«, seufzte Lal gutmütig. »Ich bin der einzige Schuldige hier. Das sagt auch der Direktor. ›Morgon‹, sagte er, ›es tut meinem Herzen wohl, einen schuldigen Menschen zu treffen, der nicht das Opfer widriger Umstände ist wie alle andern!‹«
    Jonny ging nicht weiter auf dieses Thema ein. Wozu auch? Die Tatsachen waren über jeden Streit erhaben. Über die großen Schwindeleien, die auf der Rennbahn vor sich gingen, war er völlig im Bild gewesen und hatte mit den Leuten, die auf eingeschmuggelte Pferde wetteten, in Verbindung gestanden. Und die drei Jahre Zuchthaus, die ihm angedreht worden waren, hatte er ohne Berufung, ohne Klage hingenommen; nicht, weil er die Tat, die ihm vorgeworfen wurde, begangen hätte - es gab einen andern Grund.
    »Wenn sie dir die Schuld aufpackten«, nahm der alte Lal den Faden wieder auf, »dann eben nur, weil du ein Dummkopf warst. Dazu sind die Dummköpfe da - um es aufgepackt zu bekommen. Was sagte der alte Kane dazu?«
    »Ich habe Mr. Kane nicht mehr gesehen«, erwiderte Jonny kurz.
    »Er meinte auch, du wärst ein Dummkopf«, teilte Lal befriedigt mit. »Gib mir einen Ziegel, Gray, und halt den Mund! Da kommt der großnasige Schinder.«
    Der ›großnasige Schinder‹ war nicht ärger als irgendein anderer Wärter. Er kam dahergeschlendert, und aus seiner Tasche schaute der Knüppel mit dem abgenutzten Griff und dem daran baumelnden Faustriemen hervor.
    »Nicht soviel schwatzen!« befahl er mechanisch.
    »Ich verlangte nur einen Ziegel, Sir«, entschuldigte sich Lal unterwürfig. »Diese Sendung ist nicht so gut wie die letzte.«
    »Das habe ich bereits bemerkt.« Der Wärter betrachtete prüfend einen Halbziegel mit dem mißbilligenden Blick des Kenners.
    »Das glaub' ich, daß Sie es bemerkt haben!« heuchelte Lal, doch als der Wärter weiterging, sagte er hämisch: »Der kann einen Ziegel nicht von seiner Schnapsnase unterscheiden! Das ist übrigens der Kerl, den der alte

Weitere Kostenlose Bücher