0280 - Turm der weißen Vampire
Mann mit der Kutte!
Er trug das Kreuz bei sich, genau die Waffe, vor der die Blutsauger die größte Angst hatten. Wenn er sie einsetzte, waren sie rettungslos verloren.
Aber sie brauchten Blut.
Noch fühlten sie sich schwach. Erst wenn sie den Lebenssaft der Menschen getrunken hatten und dieser ihre bisher leeren Hüllen ausfüllte, würden sie wieder zu dem werden, was sie einmal waren.
In den verschiedensten Häusern hatten sie sich verteilt. Sie hockten in den Kellern, um zu beobachten, und sie hielten sich in den Räumen auf, in denen es am dunkelsten war.
Die Mäuler hatten sie aufgerissen. Dolchartig stachen ihre Zähne hervor, und sie grinsten, als sie sahen, daß sich die beiden Menschen trennten.
Die Frau lief auf die Kirche zu, um in ihr Schutz zu suchen. Der Mann aber, Feind der Vampire, bewegte sich von ihnen weg.
Er interessierte sie im Moment nicht.
Die Frau war wichtiger. Deshalb teilten sie sich und verteilten das Verhältnis zugunsten der wehrlosen Frau.
Drei Vampire verließen ihre Löcher und begaben sich dorthin, wo die Frau sich versteckt hielt.
Die anderen beiden blieben ebenfalls nicht in den Häusern hocken. Sie wollten sich auf die Spur des Mönches setzen. In so unterschiedliche Richtungen sie auch fortgingen, etwas jedoch hatten sie gemeinsam.
Die Bewaffnung.
Nicht nur ihre gefährlichen Zähne, sondern auch Schlagwerkzeuge, die sie in den Kellern gefunden hatten…
***
Die Piper ging immer tiefer. Wir schauten zu, wie sie noch eine Schleife drehte und sich dann ihrem Landeplatz näherte, der nicht weit von der Ansiedlung entfernt lag. Es war ein genügend breites und langes Stück Weideland, auf dem keine Steinbrocken oder Felsstücke lagen. An den routinierten Flugbewegungen des Piloten erkannte ich den Fachmann. Der Flieger wußte genau, was er tat.
Er setzte die Maschine auch sicher auf dem holprigen Boden auf.
Zwar schüttelte sich der Flugkörper, aber er rollte schließlich sanft und sicher aus.
Dann stand er, und die Propeller drehten sich aus, während wir schon unterwegs waren.
Wir kamen gerade rechtzeitig, um zu sehen, daß der Pilot einen Postsack aus der offenen Einstiegsluke schleuderte. Er selbst sprang hinterher und sah unser Winken. Überrascht schaute er uns an.
»Was machen Sie denn hier auf der Insel?« fragte er, »und wo ist Norman Taylor, der normalerweise die Post in Empfang nimmt?«
»Geflohen!«
»Was?« Der Mann zog ein erstauntes Gesicht. Er besaß eine sonnenbraune Haut, und auf seiner Oberlippe wuchs ein dunkler Schnauzbart.
»Ja«, sagte ich, und nickte. »Steigen Sie wieder in Ihre Maschine, und fliegen Sie ab.«
»Ha.« Er lachte auf, stemmte seine Arme in die Hüften und schüttelte den Kopf. »Ich denke überhaupt nicht daran.«
»Mann, das ist kein Scherz!« fuhr Suko ihn an.
»Was willst du denn?«
Suko griff in die Tasche und holte seinen Ausweis hervor, den er dem Piloten unter die Nase hielt. »Reicht Ihnen das, mein Lieber?«
»Scotland Yard?«
»Wie Sie sehen.«
»Aber was haben Sie auf Hay Island zu tun? Mann, hier sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht…«
»Heute nicht mehr«, unterbrach ich ihn.
»Was ist los, zum Teufel?« Er trat wütend mit dem rechten Fuß auf, und der Absatz seines Fliegerstiefels verschwand im weichen Grasboden. »Geht es hier etwa um ein Staatsgeheimnis?«
Da hatte er mir ein Stichwort gegeben. »Genau darum geht es, Meister.«
Er grinste schief. »Aber ein neuer Bond-Film wird wohl nicht gedreht – oder?«
»Nein, das ist kein Film.«
Hinter uns hörten wir hastige Schritte, drehten uns um und sahen Pater Ignatius herbeieilen. Er winkte mit beiden Händen und rief laut. »Ich habe einen Vampir erledigen können und…« Er unterbrach sich, denn ihm war wohl eingefallen, daß er schon zuviel gesagt hatte.
Der Pilot reagierte bereits. »He, was haben Sie da gesagt? Einen Vampir erledigt?« Im nächsten Augenblick hörten wir das Lachen des Mannes. »Das glauben Sie doch selbst nicht, Mann. Vampire, die gibt es nur im Film. Mir scheint, daß Sie hier doch einen Streifen drehen.«
»Es ist kein Spaß«, sagte ich.
Er winkte ab. »Hören Sie doch auf!« Dann bückte er sich und hob den Postsack an. »Den werde ich jetzt Norman bringen. Und wenn Sie hundertmal zur Polizei gehören, Sie können mich nicht daran hindern, meinen Job auszuführen.«
Ich verdrehte die Augen. Dem Knaben war wirklich nicht zu helfen. Aber wer glaubte schon an Vampire? Dieser schottische Dickkopf bestimmt
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