0281 - Die Höhlen des Schreckens
ihr?« Angst stieg in ihm auf, daß die beiden Männer verletzt oder gar getötet worden sein konnten. Nur langsam kehrte sein Sehvermögen zurück. Zuerst sah er schwarze Flecken und so unscharf, als trage er eine zu starke Brille. Langsam klärte sich der Blick. Und dann sah er Louis am Boden liegen.
Vor der Stahltür lag der Kristall auf dem Boden.
Rudolfo atmete tief durch. War Toni jetzt irgendwo in Caldaro, vielleicht auch zeitversetzt, oder befand er sich irgendwo sonst, vielleicht hinter der Tür?
Rudolfo nahm den Kristall wieder an sich.
Er streckte die Hand aus, berührte die Tür.
Und sie glitt auf.
Verschwand lautlos in zwei Hälften in Boden und Decke! Und dahinter war eine weitere Höhle, in der es schwarz und geheimnisvoll leuchtete!
Rudolfo pfiff durch die Zähne. Was er da sah, konnte ihm gar nicht gefallen!
***
Für die gut sechshundert Kilometer benötigte Nicole etwas über sieben Stunden. Sie fuhr so schnell es die Straßenverhältnisse zuließen, verzichtete auf Alpenpässe und machte lieber einen Umweg. Das kostete fast achtzig Kilometer mehr, sparte aber Zeit, weil sie auf geraden freien Strecken aufdrehen konnte. Sie ermüdete nicht. Der Cadillac mit seinem Komfort ermöglichte ihr die Nonstop-Fahrt, aber als der Wagen dann auf das Ortsschild von Caldaro zurollte, spürte sie doch die Anstrengung, die hinter ihr lag.
Sie hielt an.
»Aufwachen, Zamorra. Wir sind da. Vielleicht kannst du jetzt das Lenkrad übernehmen…« Sie küßte ihn. Die kurzen Bartstoppeln, die in der Nacht entstanden waren, kitzelten rauh. Unwillkürlich lachte sie.
»Na, wenn der Morgen nicht gut anfängt«, lachte Zamorra ebenfalls. »Wie spät ist es eigentlich?«
»Fast acht… Zeit fürs Frühstück!«
»Anständige Geisterjäger und Dämonenbekämpfer schlafen um diese Zeit normalerweise noch«, erklärte er. »Frühstück… wenn’s machbar ist, möchte ich ein wenig an Dir naschen, schönste aller Nicoles.«
»Wieviele dieses Namens kennst du?« fragte sie zurück. »Außerdem wird hier weder ge- noch vernascht, weil wir im sittenstrengen Italien sind, wo so was in der Öffentlichkeit weitaus unmoralischer ist als Mord und Totschlagaktionen der Mafia…«
Zamorra grinste. »Das hier ist Südtirol und nicht Italien. Italiener werden höchstens hierher strafversetzt. Südtirol ist seit zwölfhundert Jahren deutsch und gewissermaßen ein Staat im Staat, ähnlich wie bei uns die Bretagne und auf den britischen Inseln Wales…«
»Oder in Deutschland Bayern«, flachste Nicole.
Zamorra ließ sich nicht beirren. »Deshalb sind hier auch alle Straßenschilder grundsätzlich zweisprachig angebracht - deutsch und italienisch. Amtssprache ist zwar italienisch, aber wenn du hier italienisch redest, verrätst du dich sofort als Ausländer.«
»Und wenn ich meine Muttersprache Französisch verwende?« schmunzelte Nicole.
Zamorra winkte ab. »Los, suchen wir ein Lokal, wo’s Frühstück gibt, wenn ich dich schon nicht vernaschen darf…«
»Und deine Bartstoppeln müssen auch ’runter«, kommandierte Nicole. »Entweder ganz oder gar nicht - mit richtigem Bart gefielst du mir besser als so halb rasiert.«
Sie wechselten die Plätze. Zamorra klemmte sich hinters Lenkrad des Cadillac und versenkte das Verdeck per Knopfdruck. Er strich sich über die Stoppeln. Bis vor ein paar Tagen hatte er Bart getragen - gewissermaßen aus Tarnungsgründen seit damals, als Leonardo deMontagne ihn und Nicole in den »Untergrund« zwang und ständig verfolgen ließ. Inzwischen war diese Tarnung aber nicht mehr nötig, und Zamorra hatte beschlossen, sich den Bart wieder abnehmen zu lassen. Nachteil war, daß er jetzt nicht mehr nur Kanten glätten, sondern sich wieder total rasieren mußte.
»Fahren wir einfach ein paarmal kreuz und quer durch den Ort, bis wir den Rolls-Royce sehen«, beschloß er. »Wo Ted nächtigt, gibt’s auch Frühstück.«
Caldaro war nicht gerade das kleinste aller Dörfer. So dauerte es einige Zeit, sich mit dem riesigen Wagen durch die schmalen Straßen zu arbeiten. Dann waren sie einmal längs durch und hatten den Rolls noch nicht entdeckt. Zamorra wollte gerade wenden, als er weiter oben an der Straße, weit außerhalb des Ortes, einen Lichtreflex sah. Da warf ein Spiegel Sonnenlicht zurück.
Er gab einem Gefühl nach, als er nicht wendete, sondern noch ein paar hundert Meter weiterfuhr. Und da sah er Fahrzeuge.
Einen Geländewagen und einen weißen Rolls-Royce.
»Das ist er!« stieß
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