0287 - Sein Mörder war schon unterwegs
Sergeant: »Wo wohnen Sie, Sergeant?«
»23, Suffolk Street.«
Ich zog die Hand von der Sprechmuschel weg.
»Sir, in der Suffolk Street, Hausnummer 23, wohnt ein Sergeant von der Stadtpolizei namens Sammy Right…«
»Ich habe Nachricht von der Stadtpolizei, dass nach ihm gefahndet wird.«
»Stimmt«, grinste ich, weil man ja zum Glück durchs Telefon noch nicht sehen kann, was der andere tut. »Aber es geht mir nicht um den Sergeant. Ich brauche seine Frau. So schnell wie möglich.«
»Wo soll sie hingebracht werden?«
»Ins Office. Aber die Sache hat einen Haken. Es könnte sein, dass die Stadtpolizei das Haus beobachten lässt.«
»Das wird sie höchstwahrscheinlich tun.«
»Es wäre besser, wenn die Stadtpolizei nichts davon merkt, dass die Frau zum FBI gebracht wird.«
»Wir werden schon eine Möglichkeit finden, das heimlich abzuwickeln. Noch etwas?«
»Nun, Sir, außer der Stadtpolizei beobachten vielleicht auch die Kidnapper das Haus. Und für die gilt dasselbe wie für die Stadtpolizei.«
Einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann fragte der Einsatzleiter mit einem gerade noch erkennbaren, schwachen Staunen: »Sagen Sie, Cotton, haben Sie mit dem Kidnapping-Fall überraschende Fortschritte gemacht?«
»Hoffentlich, Sir«, seufzte ich.
»Okay, Cotton. Wir werden uns alle Mühe geben, Ihren Auftrag richtig auszuführen. Noch etwas?«
»Es könnte nicht schaden, Sir, wenn die Bereitschaft in Sekundenschnelle mit Tränengas, Maschinenpistolen und Zielfernrohrgewehren einsatzbereit wäre.«
»Ich werde veranlassen, dass die Waffen sofort ausgegeben und für die Bereitschaften vier und sieben Alarmstufe eins gilt.«
»Danke, Sir.«
»Schon gut, Cotton. Wir alle hoffen, dass es euch gelingt, das Mädchen früh genug zu finden.«
Es knackte in der Leitung, bevor ich etwas erwidern konnte. Ich ließ den Hörer langsam sinken. Früh genug. Das war eine pietätvolle Umschreibung für den brutaleren Satz: Wir hoffen, dass das Kind gefunden wird, bevor es ermordet wurde. Wir hoffen… Ich spürte, wie mir in einer plötzlichen Panikstimmung der Schweiß ausbrach. Vor meinen Augen erschien das undeutliche Gesicht eines vierjährigen Mädchens, wie ich es von den Fotografien kannte, die uns ein Kollege aus Czernys Wohnung abgeholt hatte.
***
Der Sergeant sagte irgendetwas und riss mich aus meinen Gedanken. Ich drehte mich um.
»Ja, Sergeant? Was sagten Sie?«
Erst jetzt fiel mir auf, dass Right noch blasser geworden war als vorher. Er hatte die Hände im Schoß gefaltet, aber dabei die Finger so hart ineinander gedrückt, dass die Knöchel leichenblass aus der sonnengebräunten Haut hervortraten.
»Right!«, mahnte ich und schüttelte ihn sacht an der Schulter. »Was ist los mit Ihnen? Sie haben doch etwas gesagt! Wiederholen Sie es bitte! Ich habe es nicht verstanden!«
Er hob ganz langsam den Kopf. In seinen Augen schimmerte es feucht. Er sah mich an mit einem Blick, der mir im Herzen wehtat. Es lag so unendlich viel Qual in diesen Augen, dass man von ihr erschüttert wurde, bevor er noch ihre Gründe aussprechen konnte.
»Mann, nun reden Sie schon!«, forderte ich ihn auf.
Er nickte. Mit gesenktem Kopf begann er zu erzählen. Seine Stimme kam leise und oft von Pausen unterbrochen.
»Sie erwähnten vorhin den Namen George Lister, Sir. Jetzt ist mir alles klar. Dieser Teufel in Menschengestalt ist zurückgekommen. Er gönnt uns unser bescheidenes Glück nicht. Er gönnt keinem Menschen Glück und Zufriedenheit. Er ist nicht Gangster geworden, weil er ohne Arbeit Besitz gewinnen will. Er wurde Gangster, weil er Freude am Quälen, Lust am Zerstören hat…«
»Sie kennen ihn?«, fragte ich verwundert.
Er nickte schwer.
»Das ist nun zehn Jahre her, Sir. Berta war damals siebzehn. Robert ein paar Jahre älter. Später, viel später erfuhr ich es von Robert. Aber Berta weiß es bis heute noch nicht. Lister verkehrte im Hause der Czernys. Sie waren damals erst zwei oder drei Jahre in den Staaten, und die alten Czernys kannten sich noch nicht so recht aus. Ich weiß nicht, wie Lister sie kennengelerrit hat. Aber er besuchte sie oft, und die alten Leutchen glaubten, er sei ihr Freund. Es war immer ihr Traum gewesen, dass Robert und Berta amerikanische Hochschulen besuchen sollten. Aber das Geld fehlte. Lister versprach, ihnen zu helfen. Er hätte Beziehungen, sagte er. Er könnte ihnen Beteiligungen vermitteln, die jährlich dreißig Prozent Zinsen abwürfen.«
»Aber das ist doch glatter
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