Lockruf der Highlands: Roman (German Edition)
1
D as Einzige, was Grey davon abhielt, dem vor Kälte bibbernden Mann, der vor ihrem Kamin kauerte, den Hals umzudrehen, war der Umstand, dass er seiner Frau Grace nicht noch mehr Aufregung zumuten wollte, denn sie war schon kreidebleich. Greylen MacKeage beließ es daher bei einem finsteren Blick, den er seinem Schwiegersohn Jack Stone zuwarf; er war der zuständige Polizeichef hier und hatte ihnen den halb erfrorenen Mann ins Haus gebracht.
Von der Neuigkeit ebenso verblüfft, zuckte Jack nur die Schultern.
»Würden Sie wohl wiederholen, was Sie soeben gesagt haben, Mr. Pascal?«, flüsterte Grace, die Armlehnen ihres Sessels umklammernd. »Ich fürchte, dass ich Sie nicht richtig verstanden habe.«
Luke Pascal, der sich die Hände am Feuer wärmte, drehte sich um. Sein beunruhigter Blick schoss zu Grey hinüber, bevor er ihn wieder auf Grace richtete. »Als ich vor ein paar Monaten zur NASA ging,
um Camry zu treffen, sagte man mir, dass sie seit Dezember vergangenen Jahres nicht mehr dort arbeitet. Und als ich zu ihrer Adresse fuhr, stellte ich fest, dass sie ihre Wohnung irgendwann im letzten Frühjahr verkauft hat. Es tut mir leid, wenn ich Ihnen einen Schrecken eingejagt habe, Dr. Sutter, aber ich nahm an, dass Ihnen das bekannt war.«
Verdammt, wenn Pascal nicht endlich aufhörte, seine Frau mit »Dr. Sutter« anzusprechen, würde Grey den Kerl doch noch eigenhändig erwürgen. »Und woher kennen Sie unsere Tochter?«, fragte er.
Luke Pascal richtete sich auf und wandte sich Grey zu. »Ich stand mit Camry per E-Mail schon länger in Verbindung.« Er wand sich vor Unbehagen. »Bis zum Sommer, als sie plötzlich nicht mehr antwortete.«
Grace sprang so unvermittelt auf, dass Pascal zurückwich. »Dann sind Sie also der Franzose, der Camry an den Rand des Wahnsinns getrieben hat?«
Pascals von der Kälte gezeichnetes Gesicht errötete. »Ich würde eher sagen, dass wir in einer lebhaften wissenschaftlichen Diskussion begriffen waren. Es war gewiss nicht meine Absicht, sie in den Wahnsinn zu treiben.« Er zuckte unmerklich zusammen. »Wenn ich allerdings an einige ihrer E-Mails denke, wird mir klar, dass ich ein- oder zweimal durchaus einen empfindlichen Nerv getroffen haben könnte.«
»Und mit den E-Mails war letzten Sommer Schluss, sagen Sie?«
»Gleich nachdem ich ihr vorschlug, dass ich nach Amerika kommen könnte, um dort mit ihr zusammenzuarbeiten.«
»Und meine Tochter hielt das für keine gute Idee?«, fragte Grey und lenkte damit die Aufmerksamkeit Pascals, der noch einen Schritt zurückwich, wieder auf sich.
»Aus ihrer letzten Nachricht zu schließen, muss ich wohl sagen, dass sie es für keine gute Idee hielt«, antwortete Pascal.
»Und trotzdem sind Sie gekommen.«
Ihr langsam auftauender Gast blickte Grace an. Ihm war klar, dass sie die Wissenschaftlerin in der Familie war und er gut daran tat, sich an sie zu halten. »Ich stehe knapp davor, das Geheimnis des Ionenantriebes zu lüften«, erklärte er, wobei er Daumen und Zeigefinger einen Zentimeter breit auseinanderhielt. »Und ich war überzeugt, dass wir binnen eines Jahres einen funktionsfähigen Prototyp auf die Beine hätten stellen können, wenn Camry und ich das Problem gemeinsam angepackt hätten.«
»Und wie lautete ihre Antwort?«
»Ein kurz und bündiges Nein«, murmelte er und rückte wieder näher ans Feuer heran. Der Blick seiner tiefblauen Augen wanderte von Grace zu Grey.
»Sie haben das ganze letzte Jahr nicht mit ihr gesprochen?«
Jack schnaubte, und Grey warf ihm kurz einen finsteren Blick zu, um ihn sodann auf Pascal zu richten. »Camry war ein paar Mal zu Hause und ließ uns stets in dem Glauben, sie würde wie immer nach Florida zurückkehren.«
»Seit sie ein Handy hat«, warf Grace ein, »rufen wir sie allerdings nicht mehr im Labor an.« Sie sank wieder auf ihren Sessel und schüttelte den Kopf. »Erst vor einigen Tagen habe ich mit ihr gesprochen, und sie erzählte, es gehe mit ihrer Arbeit großartig voran.« Sie schaute Grey bekümmert an. »Warum hat sie uns verschwiegen, dass sie nicht mehr bei der NASA arbeitet? Und wo lebt sie jetzt, wenn sie ihre Wohnung verkauft hat?«
Grey, dem es widerstrebte, Familienangelegenheiten vor Fremden zu besprechen, ging voraus in den Flur. »Kommen Sie, Pascal, ich bringe Sie ins Hotel.«
»Nein!« Grace sprang auf. »Luke bleibt hier auf Gù Brath!«
»Das ist nicht nötig«, erwiderte Pascal, der ganz richtig erkannt hatte, dass Grey ihn aus dem Haus haben
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