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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Samarkand
 
 
    Er lenkte den fliegenden Teppich durch die nächtlichen Gassen Samarkands. Geduckt raste er unter niedrigen Brücken hindurch, brach durch Schwärme von Fledermäusen und wich den ausgebeulten Tuchmarkisen über Baikonen und Fenstern aus. Feuchte Wäsche klatschte ihm ins Gesicht, wo sich Leinen zwischen den Hauswänden spannten. Eine angriffslustige Katze sprang von einem Fenstersims auf den Teppich, verhakte sich kreischend im Knüpfwerk und schlug nach ihm, als er sie mit einem Stoß über die flatternden Fransen fegte.
    Manchmal schien es Tarik, als bliebe sein eigener Schatten auf den Lehmmauern und Fensterläden zurück, so geschwind jagte er durch die engen Gassen der Altstadt. Schneller als jeder andere, geschickter und ungleich erfahrener. Siegesgewiss, ohne auch nur ein einziges Mal an den Sieg zu denken. Berechnend, ohne auf seine Verfolger Rücksicht zu nehmen. Auf der Flucht vor Erinnerungen, denen er doch nie entrinnen konnte, vor allem in den Morgenstunden, wenn der Triumph über das gewonnene Teppichrennen verebbt war, wenn die Wirkung der billigen Weine nachließ. Dann ein weiteres Rennen. Ein weiterer Sieg. Eine weitere durchzechte Nacht.
    Mondlicht lag über den Kuppeln der Moscheen und Zarathustratempel, breitete sich über die flachen Dächer der Häuser und webte feine Gespinste aus Staub und Rauch. Fackeln fauchten, als Tarik an ihnen vorüberfegte.
    Er spürte den fliegenden Teppich unter sich wie ein lebendes Wesen. Noch drei oder vier Wegkehren, dann würde er den Palast des Emirs vor sich sehen, das gefährlichste Wegstück des verbotenen Teppichrennens.
    Selbst Tarik hatte sich erst zwei Mal auf diese Etappe eingelassen; dann, wenn er das Preisgeld besonders nötig gehabt hatte. Die Aussicht auf eine Handvoll Dinare verblendete viele, deren Fähigkeiten den Anforderungen nicht gewachsen waren; aber die Auswahl der Palastpassage sorgte stets dafür, dass sich einige noch vor Beginn des Rennens besannen und geschlagen gaben. Lieber nahmen sie Prügel und Schlimmeres durch die Hände jener in Kauf, die Geld auf sie gesetzt hatten, als aus freien Stücken entlang der Palastmauer zu fliegen, wo die Garde des Emirs auf der Lauer lag: Der Ritt auf fliegenden Teppichen wurde in Samarkand ebenso mit dem Tod bestraft wie jede andere Anwendung von Magie.
    Solange Tarik das Rennen anführte, war die Gefahr berechenbar. Wenn die Wächter auf dem Wehrgang ihn bemerkten, mussten sie erst ihre Bogen spannen oder mit den Lanzen ausholen. Mit etwas Glück hatte er die Mauer dann bereits hinter sich gelassen. Schlimmer würde es für jene kommen, die ihm nachfolgten – sie rasten geradewegs in das Schussfeld der alarmierten Soldaten.
    Tarik war der beste Teppichreiter Samarkands, aber er hätte die Rennen ohne Zögern aufgegeben, wären die Prämien nicht so leicht verdientes Geld gewesen. Er war der Sohn des Jamal al-Abbas, und er ritt die Winde seit dem Tag seiner Geburt. Damals hatte sein Vater das Neugeborene zum ersten Mal mit hinauf in den Himmel über Khorasan genommen. Vor achtundzwanzig Jahren.
    Eine weitere Katze verfehlte ihn um mehr als eine Mannslänge. Er hörte sie zornig schreien, als ihr Sprung ins Leere ging. Die gegenüberliegende Lehmmauer bot keinen Halt. Das Tier rutschte ab und stürzte. Dummes Biest.
    Als er zuletzt über die Schulter geblickt hatte, war sein Vorsprung vor den anderen beträchtlich gewesen. Gleich nach dem Signal zum Aufbruch hatte er mehrere Teppichreiter abgedrängt. Es kümmerte ihn wenig, was aus ihnen wurde. Alle wussten, auf was sie sich einließen.
    Er hatte Schmerzensschreie gehört und angenommen, dass einige durch seine Manöver an die Hauswände geprallt und abgestürzt waren. Die Zahl jener, die am Ende ins Ziel gingen, betrug meist kaum ein Drittel der ursprünglichen Teilnehmerzahl. Gelegentlich kam es vor, dass er als Einziger die gesamte Strecke bewältigte. Das erhöhte sein Preisgeld, darum war es von Vorteil, möglichst viele Gegenspieler gleich zu Beginn loszuwerden. Wer Waffen einsetzte, wurde disqualifiziert, doch Rangeleien waren durchaus erwünscht. Verletzte und Tote erhöhten das Risiko und somit die Einsätze, die Gewinne. Hindernisse wurden von den Veranstaltern errichtet, Kollisionen absichtlich herbeigeführt; und manch ein Teppichreiter munkelte, dass die Ahdath vor den großen Rennen Hinweise erhielt, wo es sich lohnte, auf der Lauer zu liegen – ein Hinterhalt der Stadtmiliz war die billigste und wirkungsvollste

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