029 - Die neue Macht
gefaltet auf seinen Unterarm gelegt hatte.
Daynas gefesselte Hände verschwanden auf die gleiche Weise unter einem zweiten Kittel. Hätte jemand genauer hingesehen, wäre ihm aufgefallen, dass etwas an der verkrampften Art, mit der sich die beiden Menschen bewegten, nicht stimmen konnte.
Aber niemand sah genauer hin.
So entging den insgesamt drei Technikern, die ihnen auf ihrem Weg bisher begegnet waren, auch der kleine schwarze Kasten, den Malcolm in seiner freien Hand trug und den er fast ununterbrochen anstarrte.
Dayna wusste, was der Kasten anzeigte. Schließlich war er Teil der WCA-Ausrüstung, die sie in einem verschlossenen Schrank in ihrer Wohneinheit aufbewahrte - oder aufbewahrt hatte, denn sie ging davon aus, dass Malcolms Waffe ebenso wie der ID- Tracer zu ihrer Ausrüstung gehörte.
Der Tracer war das vielleicht mächtigste Überwachungsgerät, über das der Weltrat verfügte, und wurde, um Missbrauch zu vermeiden, nur in besonders schweren Fällen eingesetzt.
Man tippte einfach den Namen einer gesuchten Person ein, dann nahm der Tracer Kontakt zur zentralen Registrierungsstelle auf und lud sich die Informationen des Implantats herunter. Der Vorgang nahm weniger als dreißig Sekunden in Anspruch, ermöglichte es einem WCA-Agenten jedoch, den Aufenthaltsort des Gesuchten bis auf einen Toleranzwert von einem Meter zu bestimmen.
Genau das hatte Malcolm getan.
»Aha«, sagte er nach einem weiteren Blick auf den Tracer. »Drax scheint am Ziel zu sein. Er bewegt sich nicht mehr. Er ist am Bahnhof, richtig?«
»Ja.« Es hatte keinen Sinn zu lügen. Auf dem Display sah er ohnehin, wo sich Matthew befand.
»Was hast du jetzt vor?«
»Ich bringe es zu Ende.«
Dayna glaubte so etwas wie Trauer in seiner Stimme zu hören.
»Es ist alles ganz einfach«, fuhr Malcolm fort. »Ich finde Matthew, bringe ihn um, töte dann dich und verteile seine DNS-Spuren, die du ja Umsichtigerweise eingesteckt hast, auf deiner Leiche. Nach dem Mord an Anna wird niemand daran zweifeln, dass er auch dich getötet hat. Und ich werde als tragischer Held gefeiert, weil ich zwar den Mörder gestellt, aber den Tod meiner Geliebten nicht verhindern konnte. Glaubst du, ich wäre gut in dieser Rolle?«
Dayna schwieg. Auch wenn es keinen Zweifel daran gab, dass er den Verstand verloren hatte, arbeitete sein Gehirn doch noch gut genug für perfide Pläne. Sie suchte nach einem Bruch in der Logik, nach einer Schwachstelle, irgendetwas, das ihn vielleicht davon abbringen könnte. Doch da gab es nichts.
Es war ein wahnsinniger, aber perfekter Plan.
»Und was dann?«, fragte sie. »Was passiert nach den Morden? Willst du einfach weiterleben und die Schuld bis an dein Lebensende mit dir herum tragen?« Malcolm schüttelte den Kopf. »Nein, mein Liebling, das ist erst der Anfang. Ich werde jeden Einzelnen deiner Geliebten hinrichten, bis keiner mehr übrig ist. Und dann werde ich mich in einer spektakulären Aktion selbst töten.« Er zögerte. »Oder so… Dich wird das jedenfalls nicht mehr betreffen.«
Vor ihnen lag die Bahnhofshalle. Die Frühschicht endete erst in rund einer Stunde und so lagen die beiden Plattformen fast verlassen da. Nur einige Techniker standen zusammen und unterhielten sich.
Subway I stand auf dem ersten Gleis. Die Waggons waren dunkel und warteten darauf, die Arbeiter der zweiten Schicht zu ihren Stellen unterhalb Washingtons zu bringen.
»Los, weiter«, drängte Malcolm. »Wir haben ihn gleich.«
Dayna sah sich um, aber niemand schien zu bemerken, was sich direkt unter ihren Augen abspielte. Sie hoffte, dass jemand Matthews Flucht entdecken würde, wartete auf die dröhnenden Sirenen und das Brüllen der Soldaten.
Ihre letzte Chance war es, gefasst zu werden.
Es stimmt tatsächlich, dachte Matt schaudernd und schlug die Tür zum. Führerstand zu. Sie haben Androiden.
***
Die Gestalten, die mit seltsam geschmeidigen Schritten auf die Lok zuliefen, waren nicht mit Menschen zu verwechseln. Ihre metallischen Skelette reflektierten das Scheinwerferlicht und ließen sie fast unwirklich erscheinen. Die Augen leuchteten in ihren Köpfen, während dünne rote Strahlen über die Front der Lokomotive strichen.
Was ist das?, fragte sich Matt und erhielt prompt die Antwort, als die Frontscheibe der Lok mit einem Knall auseinander platzte. Matt ließ sich fallen, spürte, wie ihm das Glas auf Kopf und Rücken regnete.
Ein zweiter unhörbarer Schuss stanzte ein qualmendes Loch in die Rückwand. Funken sprühten.
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