0298a - Mörderfalle in Manhattan
rührte, stieß ich die Tür auf und trat ein. Draußen dämmerte es. Hier drinnen im Haus war es schon ziemlich dunkel.
»Hallo! Mr. Sterling!« rief ich laut.
Es blieb alles still. Nur das langsame, monotone Ticken einer großen Standuhr, die in der Nische zwischen den beiden geschlossenen Türen aufgestellt war, war zu hören.
Ich rief noch einmal, aber bekam auch jetzt keine Antwort.
Von der Diele gingen vier Türen ab. Zwei lagen neben der laut tickenden Standuhr. Zwei weitere befanden sich rechts von mir. Eine davon stand offen. Ich trat näher und konnte undeutlich im Dämmerlicht erkennen, daß es das Wohnzimmer war.
Der Lichtschalter war gleich rechts an der Wand. Ich drehte den Schalter herum — und erstarrte.
Der Schreibtisch stand dicht vor der Verandatür. Der Mann lag mit vornübergeneigtem Oberkörper auf der Platte des Schreibtisches.
Seine Arme waren weit ausgebreitet und sein Kopf lag auf der polierten Palisander-Platte.
Das dünne Blutrinnsal, das über die Stirn gelaufen war, war schon ausgetrocknet.
Mit einem Satz war ich am Schreibtisch. Ich hatte auf den ersten Blick erkannt, daß der Mann tot war.
Es gab keinen Zweifel, daß der Tote tatsächlich Rod Sterling war. Seine Frau hatte mir ein Bild ihres Mannes gezeigt, und auf dem Schreibtisch sah ich das gleiche Bild wieder: Rod Sterling, zusammen mit seiner Frau und der kleinen Tochter.
Es war stickigheiß in dem Zimmer, ich ging zu der Verandatür und öffnete sie einen Spalt.
In diesem Augenblick zerriß ein schrille? Klingeln die Stille.
Ich ging durch das Zimmer in die Diele und schlich mich auf Zehenspitzen zur Haustür, die ich nach Betreten des Hauses hinter mir geschlossen hatte. Trotz der bereits fortgeschrittenen Dämmerung erkannte ich draußen vor der Milchglasscheibe die Umrisse einer Gestalt. Es war die Gestalt einer Frau. Ich öffnete die Tür. Gleichzeitig knipste ich das Licht in der Diele an.
Die Fraü mußte zwischen fünfzig und sechzig sein. Sie hatte ein gutmütiges, rosiges Gesicht, das von einem breitk'rempigen schwarzen Hut überdacht war. Die Frau war ganz in Schwarz gekleidet und trug trotz des frühlingswarmen Wetters einen dicken Wollmantel.
Die Besucherin fuhr einen Schritt zurück und starrte mich erstaunt an.
»Was… machen Sie denn hier?« stammelte sie und fuhr sich mit der schwarzbehandschuhten rechten Hand an den Mund.
»Das wollte ich Sie auch gerade fragen«, sagte ich und lächelte freundlich.
»Was ich hier mache? Aber ich bin doch die Haushälterin von Mr. Sterling«, gab sie verwundert zurück.
»Wir sollten uns drinnen im Haus unterhalten«, schlug ich vor und hielt ihr die Tür auf.
»Und wer sind Sie?« fragte sie.
Ich schloß die Tür hinter ihr und zeigte den Dienstausweis.
»Polizei?« entfuhr es ihr, und auf einmal hatte ihre Stimme einen schrillen Klang. »Was wollen Sie denn von Mr. Sterling? Wo ist er überhaupt?«
Mit einer Kopfbewegung deutete ich zu dem Wohnzimmer hinüber, dessen Tür ich beigezogen hatte. Ich wollte der Frau jetzt noch nicht die Wahrheit sagen, denn ich konnte mir ungefähr denken, wie sie darauf reagieren würde.
»Wo ist eigentlich Mrs. Sterling?« erkundigte ich mich.
»Die ist doch gestern weggefahren, nachdem…«
Sie brach plötzlich ab und warf mir einen schuldbewußten Blick zu, als habe sie breits ein Geheimnis verraten.
»Nach dem Krach«, ergänzte ich und lächelte die Frau aufmunternd an.
Sie nicke. »Ja, es hat wieder Krach gegeben«, sagte sie ganz leise und warf einen vorsichtigen Blick über ihre Schulter nach der Tür zum Wohnzimmer. »Und da ist sie zu ihrer Schwester gefahren.«
»Der Krach war doch sicher, weil Mrs. Sterling zur Polizei gegangen ist?«
»Sie wissen ja Bescheid«, flüsterte die schwarzgekleidete Alte. »Dieses Mal hatten sie sich mächtig in der Wolle. Noch mehr als damals, als die beiden Männer hier waren.«
»Welche Männer?« erkundigte ich mich schnell.
»Ich weiß auch nicht, wer es war, aber es waren bestimmt keine Freunde von Mr. Sterling«, berichtete die Frau. »Sie sahen aus wie Gangster, ja. Ich glaube, es waren auch Gangster. Ich weiß nicht genau, was damals eigentlich vorgefallen ist, aber Mister und Mrs. Sterling hatten damals den ersten Krach. Den ersten, den ich erlebt habe. Und ich bin schon über sechs Jahre hier.«
»Wird Mrs. Sterling länger fortbleiben?«
»Ich glaube nicht«, prophezeite die Frau. »Spätestens morgen wird sie wieder hier sein, und dann ist alles wieder gut.
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