Nirgendwo in Afrika
STEFANIE ZWEIG
NIRGENDWO IN AFRIKA
WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
HEYNE ALLGEMEINE REIHE Nr 01/20066
Umwelthinweis
Dieses Buch wurde auf chlor- und säurefreiem Papier gedruckt
2. Auflage
Der Titel erschien bereits in der Allgemeinen Reihe mit der Band-Nr 01/10261
Taschenbuchausgabe 01/2002 Copyright © 1995 by Langen Muller in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co KG, München Printed in Germany 2002 Umschlag- und Innenillustrationen: © 2001 Constantin Film Verleih GmbH Umschlaggestaltung: Nele Schutz Design, München Satz: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin Druck und Bindung: Elsnerdruck, Berlin
ISBN 3-453-18565-X
http // www.heyne.de
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Im Andenken an meinen Vater
Rongai, den 4. Februar 1938
Meine liebe Jettel!
Hol Dir erst mal ein Taschentuch, und setz Dich ganz ruhig hin. Du brauchst jetzt gute Nerven. So Gott will, werden wir uns sehr bald wiedersehen. Jedenfalls viel früher, als wir je zu hoffen wagten. Seit meinem letzten Brief aus Mombasa, den ich Dir am Tag meiner Ankunft schrieb, ist so viel passiert, daß ich immer noch ganz wirr im Kopf bin. Ich war nur eine Woche in Nairobi und schon sehr niedergeschlagen, weil mir jeder sagte, daß ich mich hier ohne Englischkenntnisse gar nicht erst nach einer Arbeit in der Stadt umzusehen brauchte. Ich sah aber auch keine Möglichkeit, auf einer Farm unterzukommen, wie das hier fast jeder tut, um erst einmal ein Dach über dem Kopf zu haben. Dann wurde ich vor einer Woche zusammen mit Walter Süßkind (er stammt aus Pommern) zu einer reichen jüdischen Familie eingeladen.
Ich habe mir zunächst gar nicht viel dabei gedacht und nahm einfach an, die würden es hier auch nicht anders als meine Mutter in Sohrau halten, die ja immer irgendwelche armen Schlucker mit an ihrem Tisch sitzen hatte. Inzwischen weiß ich jedoch, was ein Wunder ist. Die Familie Rubens lebt schon seit fünfzig Jahren in Kenia. Der alte Rubens ist Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Nairobi, und die wiederum kümmert sich um die Refugees (das sind wir), wenn sie frisch ins Land kommen.
Bei Rubens' (fünf erwachsene Söhne) war man ganz außer sich, als herauskam, daß Du und Regina noch in Deutschland seid. Hier sieht man die Dinge ganz anders als ich zu Hause. Du und Vater hattet also ganz recht, als Ihr nicht wolltet, daß ich allein auswandere, und ich schäme mich, daß ich nicht auf Euch gehört habe. Wie ich später erfuhr, hat mich Rubens schrecklich beschimpft, aber ich konnte ihn ja nicht verstehen. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie lange es gedauert hat ehe ich kapierte, daß die Gemeinde für Dich und Regina die hundert Pfund für die Einwanderungsbehörden vorstrecken will. Mich hat man sofort auf eine Farm verfrachtet, damit wir alle drei erst mal eine Unterkunft haben und ich wenigstens etwas verdienen kann.
Das heißt, Ihr müßt so schnell wie möglich abfahren. Dieser Satz ist der allerwichtigste im ganzen Brief. Obwohl ich mich wie ein Schaf benommen habe, mußt Du mir jetzt vertrauen. Jeder Tag, den Du mit dem Kind länger in Breslau bleibst, ist verloren. Geh also sofort zu Karl Silbermann. Er hat die größte Erfahrung mit Auswanderungsproblemen und wird Dich zu dem Mann vom Deutschen Reisebüro bringen, der schon so anständig zu mir war. Er wird Dir sagen, wie Du am schnellsten an Schiffskarten kommst, und es ist ganz egal, was es für ein Schiff ist und wie lange es unterwegs sein wird. Wenn möglich, nimm eine Drei-Bett-Kabine. Ich weiß, das ist nicht angenehm, aber sehr viel billiger als die zweite Klasse, und wir brauchen jeden Pfennig. Hauptsache, Ihr seid erst mal an Bord und auf See. Dann können wir alle wieder ruhig schlafen.
Du mußt Dich auch sofort mit der Firma Danziger wegen unserer Kisten in Verbindung setzen. Du weißt, wir haben noch eine leer gelassen für Dinge, die uns einfallen. Sehr wichtig ist ein Eisschrank für die Tropen. Wir brauchen auch unbedingt eine Petromaxlampe. Sieh zu, daß sie Dir zusätzlich ein paar Strümpfe mitgeben. Sonst haben wir die Lampe und sitzen trotzdem im Dunkeln. Auf der Farm, auf der ich gelandet bin, gibt es kein elektrisches Licht. Kaufe auch zwei Moskitonetze. Wenn das Geld reicht, drei. Rongai ist zwar keine ausgesprochene Malariagegend, aber man weiß ja nicht, wo wir noch landen werden. Wenn der Platz für den Eisschrank nicht aus-reicht, dann laß das Rosenthalgeschirr wieder auspacken. Wir werden es wohl in diesem Leben nicht mehr brauchen
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