03 Arthur und die Stadt ohne Namen
verbarg. Waren es Gesichter? Oder vielleicht etwas Schrecklicheres, das ich lieber nicht sehen wollte?
Hektisch suchte ich meine Umgebung nach einem Fluchtweg ab. Dabei schob ich mich langsam so weit von den roten Gestalten weg, wie es möglich war.
Ich hatte beinahe die Wand hinter dem Podest erreicht, als sich eine Hand auf meine Schulter legte.
Ich blieb stehen.
Mein Herz setzte einen Schlag lang aus.
Die Gestalten nutzten meine momentane Verwirrung aus. Unter ihren Gewändern zogen sie kurze, mit merkwürdigen Verzierungen versehene Stäbe hervor und streckten sie in meine Richtung. Einer meiner Gegner stieß einen gutturalen Laut aus. Die Stäbe begannen zu leuchten. Die Lichtstrahlen vereinigten sich zu einer gleißenden Kugel.
Ich versuchte noch auszuweichen, aber es war zu spät.
Die Kugel flog mit rasender Geschwindigkeit auf mich zu und wuchs dabei immer mehr an. Eine Sekunde später hatte sie mich bereits erreicht.
Das war das Ende.
Eine gewaltige Explosion dröhnte in meinen Ohren.
Dann wurde es um mich herum schwarz.
Ich nahm die Kopfhörer ab, warf den Controller auf den Tisch und drehte mich zu Larissa um. »Ich hätte es diesmal fast geschafft«, sagte ich. »Wenn du mich nicht gestört hättest ...«
Sie versetzte mir einen freundschaftlichen Knuff gegen die Schulter. »Du weißt doch, dass du Desert Ghosts ohne meine Hilfe nicht gewinnen kannst«, grinste sie.
»Stimmt nicht«, widersprach ich. »Ich war schon fast durch.
»Ja, ja, das habe ich gesehen! Erwischt haben sie dich, weil du nicht schnell genug die Halle durchquert hast. Sie hätten dich auf jeden Fall erledigt.«
Zähneknirschend musste ich einräumen, dass sie nicht ganz falsch lag. Ich war zwar der bessere Ego-Shooter von uns beiden, aber wenn es ums Laufen und Verstecken ging, war sie mir haushoch überlegen.
»Jedenfalls bist du pünktlich zum Abendessen fertig geworden«, sagte sie.
Ich folgte Larissa in die Küche, wo ihr Großvater bereits den Tisch gedeckt hatte.
»Setzt euch, setzt euch!«, rief er, als wir eintraten. »Es gibt interessante Neuigkeiten!«
Larissa und ich sahen uns vielsagend an. Ob diese Neuigkeiten wohl etwas mit unserer Suche zu tun hatten? Seit über einem halben Jahr trugen wir Hinweise darauf zusammen, wo Larissas Eltern wohl gefangen gehalten werden mochten. Sie waren vor vielen Jahren in der größten arabischen Wüste, der Rub al-Khali, verschollen und offiziell für tot erklärt worden, obwohl ihre Leichen nie gefunden worden waren.
Seit unserem Abenteuer mit dem Botschafter der Schatten wussten wir nun, dass ihre Eltern noch lebten. Allerdings waren die Hinweise auf den Ort, wo sie sich befanden, nur sehr vage. Er musste irgendwo in der Rub al-Khali liegen, das war sicher. Aber die Wüste, die nicht umsonst das Leere Viertel genannt wurde, war riesig. Wo genau wir mit unserer Suche beginnen sollten, hatten wir noch nicht herausgefunden.
Deshalb blickten wir Larissas Großvater neugierig an, während wir uns setzten. Er machte es wie immer spannend. Als würde er unsere Unruhe nicht bemerken, bestrich er in aller Ruhe eine Brotschnitte mit Margarine und legte drei Scheiben Salami auf. Dabei konnte er sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, denn er sah natürlich, wie ungeduldig wir auf seine Auskünfte warteten.
Schließlich hielt es Larissa nicht mehr aus. »Nun erzähl schon!«, stieß sie hervor.
Der Bücherwurm (das war mein Spitzname für den Alten, denn er betrieb eine Buchhandlung mit angeschlossenem Antiquariat und verbrachte jede freie Minute zwischen seinen Büchern) nahm einen Bissen von seinem Brot, kaute genüsslich und schluckte ihn herunter. Er spülte mit einem Schluck Mineralwasser nach. Dann entschloss er sich endlich, unsere Neugier zu befriedigen.
»Wir bekommen Besuch«, sagte er. »Hohen Besuch. Und ich glaube, das wird unsere Suche einen großen Schritt weiterbringen.«
Er schwieg und sah uns bedeutungsvoll an.
»Und wer ist dieser bedeutende Besucher?«, fragte Larissa ungeduldig.
»Der Bibliothekar«, erwiderte der Bücherwurm, als würde das alles erklären.
Ich spürte, wie Larissa langsam sauer wurde, weil ihr Großvater uns so auf die Folter spannte. »Und wer ist der ›Bibliothekar‹?«
Der Alte schielte sehnsüchtig auf sein angebissenes Salamibrot, entschied sich dann aber dagegen, seine Enkelin weiter zu peinigen. »Der Bibliothekar ist der mächtigste aller Bewahrer. Er lebt seit vielen Jahren in Prag und hält sich meist im
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