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Heinrich Mueller 01 - Salztraenen

Heinrich Mueller 01 - Salztraenen

Titel: Heinrich Mueller 01 - Salztraenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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Samstag, 16.9.2006
    Heinrich Müller war groß geworden mit Pausenmilch, Perry Rhodan hatte ihn sozialisiert, Doktor Sommer aufgeklärt. Er war mehrfach unglücklich verliebt zu finnischem Tango, den schmerzhaftesten Herzensverlust hingegen begleitete Eric Burdons ›House of the Rising Sun‹. Erste detektivische Ambitionen bewirkte Michelangelo Antonionis ›Blow-Up‹, das Gymnasium beendete er mit Jimi Hendrix. Die Ausbildung zum Polizisten war überschattet vom Gegensatz zwischen Ländlern und chinesischer Revolution. Beim Austritt aus dem Polizeidienst unterstützte ihn die Entdeckung von Single Malt Whisky.
    Es war eines unschönen Morgens in der Detektei Aubois und Müller. Heinrich Müller war von seiner Bestimmung her ein asketischer Mensch. Wenn er seiner Bestimmung gehorchte, aß er selten zu viel und trank mäßig. Aber es gab auch diese anderen Tage, und sie waren häufiger geworden. Dann trank er richtig, bis zum besinnungslosen Besäufnis, sodass er manchmal nicht mehr wusste, wie er nach Hause und in sein Bett gekommen war. Dann blieben ihm am nächsten Tag ein Zittern und eine Übelkeit, die es ihm zu essen und zu trinken verbat.
    Heute war so ein Tag.
    Womit gleich gesagt ist, dass es sich bei der Detektei Aubois und Müller um eine Wohnung handelte, von der ein Zimmer als sogenanntes Büro herhalten musste, sehr zum Missfallen des dunkelbraun getigerten Katers mit weißem Bauch, der von den gelegentlichen Telefonanrufen aus seinem Schlaf gerissen wurde. Aber eigentlich gehörte auch er nicht hierher, war ein Zugezogener, ein Wesensverwandter.
    Heinrich Müller hätte an diesem Morgen auch nicht gewusst, wo er hingehörte. Aber als er den Kopf von der Tischplatte hob, sah er als Erstes seine Visitenkarten, die er in drei Sprachen hatte drucken lassen: Heinrich, Henri und Henry Müller, von seinen Freunden genannt Heiri, von denen, die ihn aufziehen wollten: Henry Miller.
    Einen Aubois gab es nicht, aber es setzte Müller in der Liste der Berner Detekteien und Auskunfteien im Telefonbuch an die vorderste Stelle. Es gab ihm einen Anstrich von Seriosität, den der Name Müller alleine nicht gesichert hätte, und er brachte ab und zu französische Kundschaft, was in der Hauptstadt eines mehrsprachigen Landes jedenfalls kein Nachteil war.
    Hauptsächlich beschäftigte sich die Detektei Aubois und Müller mit Fällen einfachen Versicherungsbetrugs, manchmal mit Ehebruch, ausnahmsweise auch mit Bewachungsaufträgen und Personenschutz. Müller schätzte die letzteren nicht besonders, da sie das Tragen einer Waffe nötig machten, und er fühlte sich eindeutig wohler ohne Pistole. Versicherungsbetrug hingegen war meist eine angenehme Recherchearbeit, die ihn mit allen möglichen Menschen in Kontakt brachte.
    »Warum soll’s mir gut gehen, wenn es mir auch schlecht gehen kann«, sagte Müller zu niemand Bestimmtem, denn es war keiner anwesend. Allerdings maunzte Baron Biber, wie er den Kater nannte, wie als Bestätigung seiner Worte. Und Müller dachte wieder an sein Credo. Während andere sich in Fitnessstudios quälten oder sich esoterischen Gurus unterwarfen, pflegte er seinen athletischen Körper mit seinem Gehirn in Übereinstimmung zu bringen nach der Katzen-Methode: die Gelassenheit des Tieres, seine scharfe Beobachtungsgabe, aber auch seine sprunghafte Schnelligkeit und die gespannte Aufgeregtheit waren ihm Anregung und Vorbild für das eigene Dasein. Jetzt allerdings war Baron Biber beim Putzen des Fells unvermittelt eingeschlafen. Die Zunge hing noch aus dem Maul, aber die Augen waren bereits geschlossen.
    Nun hatte Heinrich Müller sich mit seiner Selbstständigkeit als Privatdetektiv auf etwas Bedrohliches eingelassen. Nicht so sehr wegen der finanziellen Engpässe. Damit konnte er leben. Aber die Leere der Tage, an denen er nichts zu tun hatte, gefährdete seine geistige und körperliche Gesundheit: Grübeln, Fressen, Saufen – damit ließen sich die Gefahren zusammenfassen.
    Deswegen hatte er sich eine Reihe von Hobbys zugelegt, die ihn stundenlang von selbstzerstörerischen Gedanken fern halten konnte. Mit Dreien davon hatte er sich in den letzten Tagen beschäftigt. Das war erstens das Erstellen von Listen; eine davon beschäftigte sich mit den ungelösten Rätseln dieser Welt. Das Zweite war die Gründung von Vereinen, fiktive Organisationen meist, die es nicht über den Schreibtisch des Verfassers hinaus brachten, beispielsweise einer »Interessengemeinschaft für das Abbrennen von

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